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Carrie
Unter
dem alltäglichen Horror an den Hochschulen hat die schüchterne Carrie
White besonders schwer zu leiden, da sie von ihren Mitschülern bei jeder
sich bietenden Gelegenheit drangsaliert und gedemütigt wird. Besonders
schlimm wird es für das Mädchen, als sie nach dem Sportunterricht
in den Duschräumen ihre erste Periode bekommt und darauf hysterisch reagiert,
weil sie noch nicht aufgeklärt worden ist - was ihre Klassenkameradinnen
dazu ermuntert, sie einzukreisen und mit Tampons zu bewerfen. Die Lehrerin Mrs.
Collings schickt das verängstigte Mädchen nach Hause - doch nicht
einmal das Elternhaus stellt einen Ort dar, um die traumatischen Ereignisse
für eine Weile zu vergessen: Carrie´s Mutter Margaret White entpuppt
sich als krankhaft religiöse Fanatikerin, die alles, was irgendwie mit
dem Erwachsenwerden ihrer Tochter zu tun hat, als Teufelswerk ansieht und die
arme Carrie in eine dunkle Kammer sperrt, um vor einem kleinen Kruzifix um Vergebung
ihrer Sünden zu beten. In den Augen der eigenen Mutter ist Carrie eine
"Hexe", und die seltene Begabung ihrer Tochter, in Stress-Situationen
Gegenstände alleine durch die Kraft ihrer Gedanken bewegen zu können,
sieht sie als Beweis ihrer abwegigen Theorie.
Die
Schülerin Sue Snell ist die einzige, die sich in Carries Situation versetzen
kann und beschließt, ihr eine Freude zu machen. Sie verzichtet auf die
Teilnahme des in Kürze stattfindenden Abschlussballes und bittet ihren
Freund Tommy Ross, den heimlichen Schwarm der meisten Schülerinnen, stattdessen
das scheue Mädchen zu der Feier zu begleiten. Nach einigem Zögern
kann er Carrie tatsächlich dazu überreden... und das Blatt scheint
sich endlich zum Guten zu wenden. Bei der Veranstaltung verwandelt sich das
hässliche Entlein buchstäblich in wenigen Minuten zum Schwan, und
der Höhepunkt ihres Glücks scheint nicht nur ihr erster Kuss zu sein,
sondern die Wahl zum Traumpaar des Abends! Natürlich können die beiden
nicht ahnen, dass die Stimmzettel von ihren fiesen Kameradinnen manipuliert
worden sind und ein mit Schweineblut gefüllter Eimer oberhalb der Bühne
nur darauf wartet, auf die Ballkönigin zu stürzen!
Mit
dem Fall des Eimers zerplatzt ihr Traum, endlich Anerkennung und Freunde zu
finden, wie eine Seifenblase und in einem Sturm der Verwüstung macht sie
Gebrauch von ihren telekinetischen Fähigkeiten, die außer Kontrolle
geraten. Mit der Kraft ihrer Gedanken verschließt sie alle Türen
und setzt das Gebäude in Brand, in dem die Anwesenden ihre Gemeinheiten
mit dem Leben bezahlen müssen. Nach der Gewaltentladung begibt sich Carrie
nach Hause - doch ihre wahnsinnige Mutter erwartet sie bereits mit einem Schlachtermesser,
um das Schicksal der "Hexe" endgültig zu besiegeln...
Dass
Stephen King seine ersten Romane in einem Wohnwagen schrieb, ist mittlerweile
schon eine Legende. Ganze fünf Manuskripte landeten unveröffentlicht
in einer Schublade (darunter auch Getting
it on,
aus dem später der unter dem Psyeudonym Richard Bachman veröffentlichte
Rage
wurde), bis seine Frau eines Tages die Novelle Carrie
aus dem Mülleimer angelte, die ihr frustrierter Gatte zuvor dort hinein
befördert hatte. Sie las das Werk und brachte es zu einem Verleger - und
1974 stand endlich der erste Roman von King in den Regalen. Carrie erzielte
einen Achtungserfolg - doch der große Durchbruch zum Bestseller kam erst
mit der grandiosen Verfilmung, die zwei Jahre später in die Lichtspielhäuser
stürmte und für King neue Zeiten einläutete.
Im
Gegensatz zu den meisten späteren Verfilmungen hält sich der Film
relativ eng an die Romanvorlage. Für den Drehbuchautor Lawrence D. Cohen
ist es von großem Vorteil gewesen, dass King´s Buch ziemlich kompakt
ist und die Story durch die geradlinige Erzählform ohne Nebenhandlungen
für eine Leinwandadaption geradezu prädestiniert war. Der größte
Unterschied bei Carrie
tritt im Finale auf, welches das Mädchen auf dem Weg von dem verwüsteten
Festsaal zu ihrem Zuhause zeigt. Auf dem Papier zerstört Carrie jedes Haus
der Stadt in einem brennenden Inferno, auf der Leinwand dagegen beschränkt
sich ihre Rache lediglich auf die Ballgäste sowie ihr Elternhaus. Einer
der Gründe dafür war De Palmas Entscheidung, allzu viele vordergründige
pyrotechnische Effekte hätten die tragische Geschichte zu einem simplen
Actionfilm abgestempelt - und weiterhin ließ das auf 1,8 Millionen Dollar
beschränkte Etat eine solche Verwüstungsorgie sowieso nicht zu. Stattdessen
wartet der Film mit einer Traumsequenz auf, die im Buch nicht vorkommt. Hier
sieht man Sue Snell, die einzige Überlebende des Highschool-Massakers,
eine Strasse entlanggehen zu jenem Ort, wo das Haus der Whites stand, bevor
es von Carries Kräften dem Erdboden gleichgemacht wurde. Für diese
Szene musste Darstellerin Amy Irving rückwärts laufen und die Aufnahmen
wurden dann wiederum rückwärts abgespielt, um ihrem Gang eine traumhafte
Wirkung zu verleihen. Vor dem Grab ihrer Mitschülerin Carrie verweilt sie
einige Zeit mit einem Blumenstrauß in der Hand. Als sie diesen niederlegen
will... folgt einer der wohl besten Schockmomente der Filmgeschichte, der hier
nicht verraten werden soll! Ein Tip am Rande: das Popcorn sollte man bis dahin
verzehrt haben, um es beim Zusammenzucken nicht in der näheren Umgebung
zu verteilen... Einen ähnlichen Effekt setzte De Palma übrigens auch
am Ende von Dressed
to Kill
ein.
Für
viele Kritiker gilt Carrie
auch heute noch als beste Verfilmung eines King-Werkes. De Palma zieht alle
Register seines Könnens und zitiert gerne sein Vorbild Alfred Hitchcock
- so trägt die Schule im Film den Namen "Bates High School" und
die "kreischenden Geigen" aus dem Psycho-Soundtrack kommen hier ebenfalls
zur Wirkung. Zum Aufbau der Spannung setzt er komplizierte Kamerafahrten und
minutenlange Zeitlupen ein, die bei einem weniger talentierten Regisseur das
Aus für jeden Ansatz von Suspense bedeutet hätten. Doch De Palma foltert
das Publikum förmlich mit den eine Ewigkeit dauernden Sekunden vor dem
Sturz des Eimers und somit dem auslösenden Moment von Carries Rachefeldzug.
Selbst nach diesem Ereignis braucht der Film eine ganze Weile, bis er wieder
aus der alptraumhaften Zeitlupe erwacht - und jetzt holt De Palma seinen nächsten
Trumpf aus dem Ärmel, indem er plötzlich den Splitting Screen einsetzt
und man die Handlung gleich in mehreren "Fenstern" parallel mitverfolgen
kann! Weil De Palma mit seinem vorigen Film Phantom
im Paradies
einen Flop landete, wurde Carrie fast nur mit unbekannten Newcomern besetzt.
So debütieren hier neben John Travolta (Pulp
Fiction)
auch Amy Irving, die als Einzige auch bei Carrie
2 - Die Rache
mitwirkte, William Katt (House) und Nancy Allen, die De Palma nach den Dreharbeiten
heiratete und daraufhin die Hauptrolle in Dressed
to Kill
übernahm. Interessant ist, dass Katt ursprünglich beim Casting bei
George Lucas für die Rolle des Luke Skywalker vorsprechen wollte - zwar
erfolglos, aber dafür immerhin im Nebenraum - bei Brian De Palma - einen
Job bekam! Bei Carrie Fisher war es umgekehrt: sie bewarb sich für die
Titelfigur und sagte ab, als sie erfuhr, dass für sie einige Nacktszenen
vorgesehen waren. So landete sie als Prinzessin Leia bei Star
Wars...
Sissy Spacek und ihre Film-Rabenmutter Piper Laurie wurden für ihre Rollen
für den Oscar nominiert. Carrie spielte rund fünfzehn Millionen Dollar
ein. Es folgte ein gleichnamiges Broadway-Musical, welches aber schnell wieder
in der Versenkung verschwand. In dem Bühnenstück verkörperte
Betty Buckley, die im Film die Rolle der Lehrerin spielt, die teuflische Margaret
White.
Christian
Lorenz
Carrie
- Des Satans jüngste Tochter
Carrie
USA,
1976
98
Minuten, Farbe
Regie:
Brian De Palma
Drehbuch:
Lawrence D. Cohen
Kamera:
Mario Tosi
Musik:
Pino Donaggio
Schnitt:
Paul Hirsch
Effekte:
Gregory M. Auer
Produktion:
Paul Monash
Co-Prod.:
Louis Stroller
Sissy
Spacek - Carrie White
Piper
Laurie - Margaret White
John
Travolta - Billy Nolan
Amy
Irving - Sue Snell
William
Katt - Tommy Ross
Nancy
Allen - Chris Hargensen
Betty
Buckley - Miss Collings
P.J.
Soles - Norma Watson
Sydney
Lassick - Mr. Fromm
Stefan
Gierasch - Mr. Norton
Priscilla
Pointer - Mrs. Snell
Michael
Talbot - Freddy
Doug
Cox - Beak
Harry
Gold - George
Noelle
North - Frieda
Cindy
Daly - Cora
Cameron
De Palma - Junge mit Fahrrad
Deirdre
Berthrong - Rhonda
Anson
Downes - Ernest
Rory
Stevens - Kenny
Edie
McClurg - Helen
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