zur startseite
zum archiv
Django
(Franco Nero), ein ehemaliger Veteran im Nord-Süd-Konflikt, stapft durch
die Wüste gen Süden und zieht einen Sarg hinter sich her. Auf dem
Weg in die nächstliegende Stadt sieht er, wie eine Halbmexikanerin namens
Maria (Loredana Nusciak) von einer Gruppe Mexikaner ausgepeitscht wird, weil
sie vor ihnen davongelaufen ist. Ihre Pein wird jedoch durch das Eingreifen
von Männern mit roten Kapuzen vorerst beendet, nur damit sie ans Kreuz
genagelt und verbrannt werden kann. Django jedoch erledigt mit schneller Hand
die Verbrecher und rettet Maria vor dem Tod. Zusammen ziehen Django und Maria
in ein nahe liegendes Städtchen, das mehr einer in einem Schlammloch steckenden
Geisterstadt ähnelt. Sie quartieren sich in den Saloon ein, der noch vom
Barkeeper Nataniele (Ángel Álvarez) und ein paar Bardamen bewohnt
wird. Kurz darauf reitet der gefürchtete Major Jackson (Eduardo Fajardo),
der mit seinen maskierten Mannen einen rassistischen Feldzug gegen die mexikanische
Bevölkerung treibt, in die Stadt. Im Saloon kommt es zum Kugelhagel, bei
dem Django fünf von Jacksons Männern ausschaltet und den Major auffordert
mit dem Rest seiner Bande wiederzukommen. Gesagt, getan: Jackson reitet am nächsten
Tag mit 40 Mann in die Stadt, um das ungleiche Duell hinter sich zu bringen.
Doch gegen Django haben sie keine Chance, als er in seinen Sarg greift, ein
Maschinengewehr herausholt und fast alle Gegner erschießt und den Rest
in die Flucht schlägt. Doch es herrscht keine Ruhe, denn aus anderer Richtung
nähert sich unter dem Kommando des Rebellen Hugo Rodriguez (José
Bódalo) eine Bande rivalisierender Mexikaner. Zusammen schmieden sie
den Plan, eine Ladung Gold zu stehlen, die der Major hinter der mexikanischen
Grenze in einem Fort bewachen läßt. Nach einem regelrechten Massaker
können sich Django und die Rebellen das Gold unter den Nagel reißen,
aber als Hugo die Auszahlung von Djangos Anteil vorerst verweigert, kommt es
zum Eklat…
„Der
mit dem Sarg ist da!“ (Deutsche Werbezeile)
Mit
seinem ersten Meisterwerk des Italo-Westerns läutete Sergio Corbucci, der
schon zuvor die drei eher unbekannten Western Massacro
al Grande Canyon
(Keinen
Cent für Ringos Kopf,
1965), Minnesota
Clay
(1965) und Il
crudeli
(Die
Grausamen,
1965) inszenierte, damals das endgültige Ende des klassischen amerikanischen
Westerns ein. Unverkennbar orientierte sich Corbucci an Sergio Leones Per
un pugno di dollari
(Für
eine Handvoll Dollar,
1964) mit Clint Eastwood. Ein Film, der das Urgestein dieses Genres darstellt
und dem die epochalen Fortsetzungen Per
qualche dollari in più
(Für
ein paar Dollar mehr,
1965) und Il
buono, il brutto, il cattivo
(Zwei
glorreiche Halunken,
1966) folgten. Auch die Story über einen Einzelgänger, der sich die
Feindschaft zwischen zwei skrupellosen Banden zum Eigennutzen macht, schielt
unübersehbar auf das große Vorbild. Doch Django
ist keineswegs eine Kopie, sondern erschuf seinen eigenen Mythos, der eine ungeheure
Welle von Nachahmern nach sich zog, die jedoch mehr oder weniger oder gar nichts
mit der Titelfigur gemeinsam haben. Zusammen mit den ersten zwei Teilen von
Leones Dollar-Trilogie stellt Django
das trio infernale des italienischen Westerns dar, der von internationalen Fans
liebevoll als Spaghetti- oder Macaroni-Western betitelt wird, und macht Sergio
Corbucci neben Leone zum wichtigsten Regisseur dieses Genres.
Auffällig
ist die pessimistische Grundstimmung, die in den eiskalten Locations deutlich
zum Tragen kommt. Die Eroberung der neuen Welt ist hier bereits abgeschlossen
und der Traum von Abenteuer, Ehre, Hoffnung und Gerechtigkeit findet keinen
Platz mehr. Hier ist es endgültig vorbei mit dem goldenen Westen! Vielmehr
beherrschen Gier, Haß und Gewalt die trostlose und in Schlamm und Staub
erstickende Szenerie. Der Dualismus von Gut und Böse löst sich auf,
die Schurken sind von den Helden nicht mehr zu unterscheiden und auch der „Held“
zeigt sich fernab jeglicher heroischer und ehrenvoller Eigenschaften. Dieser
Aspekt ist so untypisch für den sauberen US-Western, wirkt aber ausgerechnet
um ein vielfaches realistischer. Die traditionelle Ethik verliert hier komplett
ihren Wert und durch den direkten Einfluß japanischer Samuraifilme, insbesondere
Akira Kurosawas Yojimbo
(Yojimbo
– Der Leibwächter,
1961), begann die anarchistische Ästhetik des Italowestern. Windschiefe
Bretterbuden, verdreckte Saloons, schmierige und mies dreinschauende Gestalten
– all das wird zum tragenden und in gewisser Weise auch Comichaften Schauspiel.
Doch was sich dermaßen als wegweisender Aspekt entwickeln sollte, war
zunächst budgetabhängig. Beispielsweise bekam Sergio Corbucci als
Statisten nur den „Ramsch“, der aus der Filmstadt Cinecittà übrig
blieb. Daraus entstand auch die witzige, aber selten so gerechtfertigte Idee
mit den roten Kapuzen, die das unansehnliche Äußere der Darsteller
verbergen sollten. Aber genau diese mißlichen Umstände wendeten sich
zum Glücks-mall.
Die
roten Kapuzen könnte man auch als Bestandteil einer unterschwelligen Art
von politischer Moral deuten, denn der Fremdenhaß in den USA bekam mit
der Ku-Klux-Klan-Bewegung neue gewalttätige Triebe, die auch der europäischen
Bevölkerung nicht unbekannt blieben. Und Gewalt ist auch hier ein zentrales
Thema. Es wird aus allen Rohren gefeuert, daß es eine wahre Freude ist.
Einen derart hohen „body-count“ konnte in den US-Western lediglich Sam Peckinpah
mit seinem Klassiker des Spätwesterns The
Wild Bunch
(The
Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz,
1968) übertreffen. Die Szene, in der Hugo dem Prediger ein Ohr abschneidet
und es ihm in den Mund steckt, war sehr umstritten und sorgte allseits für
negative Kritiken. Womöglich ist diese Szene sogar die Inspirationsquelle
für eine ähnliche Szene in Quentin Tarantinos fulminantem Regiedebüt
Reservoir
Dogs
(Reservoir
Dogs – Wilde Hunde,
1992). Auch sterben Djangos Gegner wie die Fliegen, aber keinesfalls ehrenvoll.
Sie bleiben im Schlamm liegen und werden höchstens auf den verfallenen
Friedhof von Tombstone namenlos verscharrt. Selbst das Gebilde der letzten Ruhestätte
steht der deprimierenden Aura der verwahrlosten Geisterstadt in nichts nach
und entblößt den Friedhof als Müllhalde zahlloser Dahingeschiedener.
„Es
gibt bloß eins, was wichtig ist: daß man sterben muß.“ (Django)
Franco
Nero verkörpert originell den seinerzeit neuen Typus, der mit fehlendem
Idealismus, bemerkenswerter Gerissenheit, gepaart mit Zynismus und Brutalität,
seinen ureigenen Instinkten folgt. Und in oberflächlicher Betrachtung gleicht
er der Darstellung von Clint Eastwoods namenlosen Fremden, unterscheidet sich
aber dennoch sehr von diesem. Denn Django ist nicht so undurchsichtig und wort-karg,
sondern sein wirkliches Motiv ist bald abzusehen; gezeichnet von dem tief sitzenden
Verlust, den seine ermordete Frau in seinem Herzen hinterlassen hat. Die eigenen
Schuldvorwürfe, durch die Wirren des amerikanischen Bürgerkriegs nicht
für sie da gewesen zu sein, verwandeln Django in einen ausgebrannten Einzelgänger,
der versucht die Dämonen seiner Vergangenheit hinter sich zu lassen. Letztlich
zeigt er sich von einer sehr emotionalen und identifikationsfähigen Seite.
Doch zuviel Emotionalität erweist sich als Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes,
wie Django schmerzhaft erfahren muß. Maria und Nataniele müssen sogar
einen weitaus höheren Preis für ihre verbliebene Menschlichkeit bezahlen
und beweisen dadurch, daß Moral und freundschaftliche Werte in dieser
rauhen Geschichte fehl am Platze sind.
Nicht
selten gewinnt man den Eindruck einer postapokalyptischen Szenerie, die sich
nach dem Zerfall des glorreichen Wilden Westens aus dessen Trümmern erhoben
hat. Der Schauplatz dieser Geschichte scheint auch, mit Ausnahme der am Stadtrand
befindlichen Hängebrücke, wie von der restlichen Zivilisation abgeschnitten
zu sein. Rückblickend könnte man damit sogar die These aufstellen,
daß mit Django
einer der ersten Endzeitfilme entstanden ist und Kassenschlager wie die George
Millers Mad
Max-Trilogie
(1979, 1981, 1985) zweifellos stark beeinflußte. Zu verdanken haben wir
das wohl zum großen Teil auch Ruggero Deodato, der später mit seinem
Kannibalenepos Cannibal
Holocaust
(Nackt
und zerfleischt,
1979) für weltweites Aufsehen sorgte, und hier als Regieassistent von Corbucci
fungierte und für viele Szenen auch die Leitung übernahm. Doch trotz
aller Härte ist der Film nicht frei von makabren, teils rabenschwarzen
Humor. Genau wie sein Titel gebender Antiheld, der sein eigenes, vom Haß
zerfressendes Ego in Form eines Maschinengewehres in einem Sarg hinter sich
herzieht. Die Idee mit dem Sarg entdeckte Corbucci in einem Comic und fand das
unglaublich witzig und legte damit den Grundstein für das Drehbuch.
„Der
Erste – Der Echte – Der Beste“ (Deutsche Werbezeile)
Italiens
späterer Ausnahmeschauspieler Francesco Sparanero war derzeitig noch ein
fast unbeschriebenes Blatt und auch nicht die erste Wahl bei der Besetzung der
Titelfigur. Erst als es zu einem Ausscheidungsverfahren kam, wurde der blauäugige
Nero aufgrund seines Aussehens und seiner Ausstrahlung zum Hauptdarsteller berufen.
Doch ihm wurde eine amerikanisierte Namensänderung aufgezwungen, wie sie
in Italien für einige Jahrzehnte alles andere als unüblich war (besonders
im Western- und Horrorbereich.) Nach einigen Diskussionen verkürzte der
junge Francesco Sparanero einfach seinen Namen und nannte sich fortan Franco
Nero und wurde mit diesem Pseudonym über Nacht weltberühmt. Da Nero
während der Produktion nur 22 Lenze zählte und für die abgerissene
Django-Figur wesentlich zu jung aussah, mußte er sich einen Bart wachsen
lassen und ihm wurden künstliche Falten an den Augen aufgeschminkt. Erst
danach entsprach er Corbuccis Vorstellungen.
Diese
Mixtur aus durchdachtem Vorhaben und glücklicher Umstände verhalf
Django
zum absoluten Kultstatus und zählt heute zu den unumstößlichen
Klassikern seines Genres, dessen großartiger, von Streich- und Blasinstrumenten
bestimmender Soundtrack von Luis Enríquez Bacalov beinahe so legendär
wurde wie die eines Ennio Morricone. Natürlich kann der Score es mit dem
Pathos von Morricones orchestralen Kompositionen nicht aufnehmen, aber er erzeugt
seinen eigenen passenden Stil und das Titelstück mit dem balladenhaften
Gesang von Roberto Fia (in der italienischen Originalfassung, für die englische
Version wurde ein gewisser Rocky Roberts herangezogen) entwickelt ohne Zweifel
Ohrwurmqualitäten und wurde Inspirationsquelle für viele nachfolgenden
Spaghetti-Western, die ihren Helden besingen.
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Django
Django
contra todos
Italien
/ Spanien 1966
Regie:
Sergio Corbucci
Regieassistent:
Ruggero Deodato
Produktionsfirma:
B.R.C. Produzione S.r.l. (Rom) & Tecisa (Madrid)
Produktion:
Manolo Bolognini & Sergio Corbucci
Drehbuch
: Bruno Corbucci, Sergio Corbucci, José Gutiérrez Maesso, Franco
Rossetti, Piero Vivarelli
Kamera:
Enzo Barboni
Musik:
Luis Enríquez Bacalov
Schnitt:
Nino Baragli & Sergio Montanari
Kostüme:
Marcella De Marchis & Carlo Simi
Darsteller
& Rollen: Franco Nero (Django), José Bódalo (General Hugo
Rodriguez), Loredana Nusciak (Maria), Ángel Álvarez (Nataniele),
Jimmy Douglas [= Gino Pernice] (Jonathan), Simón Arringa, Ivan Scratuglia
[= Giovanni Ivan Scratuglia], Erik Schippers, Rafael Albaicín (Rodriguez’
Gefolgsmann), José Canalejas, Eduardo Fajardo (Major Jackson), Silvana
Bacci (Striptease-Girl), Remo De Angelis, Guillermo Méndez, Luciano Rossi
(Miguel), Rafael Vaquero u.a.
Deutsche
Erstaufführung: 2. November 1966
Verleihfirma:
Constantin-Film
Altersfreigabe:
ab 18 Jahre
Bildformat:
1.66:1 (35mm / Panoramico / Eastmancolor)
Laufzeit:
88 Minuten (PAL)
zur startseite
zum archiv