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Eraserhead
Die Geburt des Monsters aus dem
Geist der Industrialisierung
Henrys Frau hat schlechte Eigenschaften. Sie hat
Tics, belegt zwei Drittel des schmalen Bettes und das Schlimmste: Sie hat mit
Henry ein Baby. David Lynchs Erstling ist bald ein Vierteljahrhundert alt, aber
bis heute lässt allein das Wort "Eraserhead" das Herz des wahren
Cineasten höher schlagen."Eraserhead" war 1977 noch kenntnisreiche
Neugestaltung (z.B. surrealistischer) filmischer Vorgaben und schon die Zukunft
künstlerischen Kinos, aber es ist doch erstaunlich, wie einzigartig der
Film immer noch geblieben ist. Falls Atmosphäre zu schaffen eine der höchsten
Künste des Kinos ist, dann ist "Eraserhead" eines der grössten
filmischen Kunstwerke. Lynch, der Beschwörer des Unbewussten, hat mit nur
20 000 Dollar eine wirklich ganz eigene Welt kreiert und "nur" fünf
Jahre dafür gebraucht.
Henry Spencer, ein Drucker mit Dauerurlaub, wohnt
in einem abbruchreifen, dunklen Arbeiterwohnsilo, in einer permanenten Nacht
und in einer Gegend, in der Maschinengrollen und Dauerunwetter Anheimelnderes
wie etwa Vogelgezwitscher oder selbst Autolärm ersetzt haben. Vielleicht
könnte er annähernd gleichmütig weiterleben in seinem Zimmer
mit Sicht auf eine Backsteinmauer, würde nicht das Schicksal in Form einer
Einladung zu Mary und ihren Eltern anklopfen. Henry hat ihr Foto noch, aber
er hat es zerrissen, weil sie ihn verliess. Was er erfahren wird? Er weiss es
eigentlich schon, denn Henry hat Zugang zu einer Hyperrealität. Wir waren
gleich zu Beginn Zeugen seines Traums von einer überdimensionalen Spermatozoe,
die Henrys geöffnetem Mund entspringt, ihren Auftrag erfüllt und in
die Eizelle fällt, wie in einen Brunnen. Wir konnten verfolgen, wie im
Inneren eines kahlen, mit Kratern bedeckten Himmelskörpers ein aussätziger,
degenerierter Gott den Hebel kippt und sein unabänderliches Gesetz vollzieht:
Die Initiierung des ewig wiederkehrenden Wunders neuen Lebens. Wir waren Zeugen
einer Zeugung.
Bei Marys Eltern verrät auch gleich eine Hundemutter
mit schmatzend saugenden Welpen, worauf die Veranstaltung hinaus läuft.
Nach einem makabren Abendessen mit (laut Marys Vater) "synthetischen Hühnchen",
die, als Henry sie tranchiert, beginnen mit den Schenkeln zu wackeln und aus
ihrer Mitte stark zu bluten (die Assoziation zu Monatsblutungen ist unvermeidlich),
bekommt die Mutter einen hysterischen Anfall und entfernt sich während
das Gesicht des Vaters zu einem Dauergrinsen erstarrrt ist. Als die Mutter halbwegs
gefasst wiederkehrt (und kurz nachdem sie sich Henry sexuell genähert hat),
wird Henry aufgeklärt: Mary hat ein Baby bekommen, nur weiss man noch nicht
genau, ob - es wirklich ein Baby ist.... Da auf jeden Fall Handlungsbedarf besteht,
muss Henry Mary ehelichen (die Hochzeit wird nicht gezeigt) und Mutter und "Kind"
ziehen bei ihm ein.
Very Special Effects
Ein bis heute gut behütetes Geheimnis ist,
was für die Verkörperung des unheimlichen kleinen Geschöpfs benutzt
wurde. Es sieht sehr nach einem tierischen Fötuskopf aus, dessen dürrer
Hals aus einer Art Dauerwindel, einem in Mullbinden gewickelten arm- und beinlosen
Leib ragt. Mit seiner glitschigen Haut, den rollenden Augen, und dem schmatzendem,
spuckendem Maul (incl. Zunge) wirkt es so überzeugend lebendig und organisch,
dass etwa Spielbergs wesentlich kostspieligere "E.T."-Kreatur (1982)
sich dagegen harmlos und als nur "gut gemacht" ausnimmt.
Zunächst versucht Henry die Vaterrolle zu akzeptieren.
Er kümmert sich um seine Post (einen merkwürdigen kleinen Wurm, den
er vor Mary versteckt in einer Art heiligem Schrein aufbewahrt), und beobachtet
Mary gerührt, während sie das Baby füttert. Es wird (wie während
des ganzen Films) kaum gesprochen. Neben ihm im Bett liegend, weist Mary einen
(einzigen) Annäherungsversuch Henrys zurück. Als schliesslich das
Baby beginnt immer ausdauernder zu weinen, flieht sie zu ihren Eltern und lässt
Henry mit dem Kind allein.
Das Kind bekommt Fieber und Ausschlag; Henry stellt
einen Luftbefeuchter auf die Kommode, wo es auf einem Kissen liegt und röchelt.
Immer wenn Henry versucht den Raum zu verlassen (um nach Post zu sehen,- anscheinend
haben jene postalischen Würmer für ihn zentrale Bedeutung), beginnt
das Baby zu schreien, so dass er sich statt dessen resigniert aufs Bett legt.
Zwischen drei Frauen
Da entdeckt er die "Frau hinter der Heizung".
Henry sieht, wenn er lange hinter den Heizkörper schaut, eine kleine Bühne,
auf der jetzt eine gleichzeitig naiv und starr lächelnde blonde Tänzerin
in weißem Kleid mit erkennbar aus Knetmasse modellierten Halbkugelwangen
staksig mit kleinen Tanzschritten umherspaziert. Neben ihr auf den Boden fallen
mehrere (Henry und uns vom Anfang her bekannte) aalgrosse Spermien, deren dabei
spritzend berstende Köpfe sie lustvoll zertritt. Als Henry wieder erwacht,
ist Mary zurückgekehrt. Sie liegt zähneknirschend in unruhigem Schlaf
neben ihm. Zu seinem Entsetzen findet er unter ihrer Decke wiederum Spermatozoen.
Panisch zerrt er sie wie leblose Schlangen offenbar direkt aus ihrer Vagina
und wirft sie gegen die Wand, an der sie zerplatzen. In diesem Moment erwacht
der kleine Wurm im sich von selber öffnenden Schrein zum Leben. Er ringelt
sich, tänzelt und pfeift dabei eigentümlich. Im Dunkel seines aufgerissenen
Mauls sehen wir wieder Henry in seinem Raum sitzen; Mary ist verschwunden.
Es klopft, Henry öffnet und aus dem Dunkel
tritt seine laszive Nachbarin, deren begehrliche Blicke ihn schon vorher irritiert
haben. Unter dem Vorwand sich ausgesperrt zu haben, verführt sie den ängstlichen,
aber willigen Henry, der dem Baby den Mund zuhält, um sie nicht abzuschrecken.
Das Bett wird buchstäblich zu einem Sündenpfuhl, in dem beide versinken.
Der Akt führt zu einer Auflösung, die Auflösung zu einem schwarzen
"Nichts", in dem die Nachbarin allein bleibt und sie statt Henry nur
noch seinen Kraterplaneten taumeln sieht.
Manufaktur der Amnesie
Henry ist zur gleichen Zeit dem Ziel seiner Träume
nahe gerückt. In Grossaufnahme sehen wir jetzt die "Heizungsfrau"
ein Lied vom Himmel singen: "In heaven everything is fine- you‘ve got your
good things and I‘ve got mine." Auf einmal ist Henry bei ihr, steigt zu
ihr auf die Bühne, sie erwartet ihn, aber gerade als er sie berühren
will, verschwindet sie und der pockennarbige Gott erscheint kurz an ihrer Stelle.
Als auch er nicht mehr da ist, kommt eine Art Erdklumpen mit einem dürren
blattlosen Strauch auf Rädern auf die Bühne gerollt, Henry ist sichtlich
beängstigt, sein Kopf wird von einem phallischen Etwas vom Rumpf gestossen
und auf den Boden der Bühne geschleudert, der Erdklumpen beginnt zu bluten,
aus Henrys Hemdkragen lugt nun der Kopf des Monsterbabys, das zu schreien beginnt.
Henrys Kopf wird plötzlich von der Blutlache verschluckt, knallt auf eine
Strasse, wo er von einem Jungen gefunden wird. Der Junge trägt ihn in eine
dubiose Werkstatt, in der "Eraserheads", also Radiergummiköpfe
für Beistifte hergestellt werden. Mit einem Hohlbohrer wird Henrys Gehirn
stabförmig ausgebohrt, der Stab wird mit einer Maschine zerteilt und auf
Bleistifte gepflanzt. Nach einem Radiertest wird der Junge bezahlt. Die Radierspäne
fliegen, und - Henry erwacht in seinem Bett.
Das Baby ist immer noch auf der Kommode und lacht
schadenfroh. Als Henry ein Geräusch auf dem Flur hört, sieht er nach
und sieht die Nachbarin mit einem schmierig grinsenden Mann nachhause kommen,
ihr selbst wiederum erscheint anstelle von Henrys Kopf der Kopf des Babys. Wieder
allein in seinem Appartment nimmt Henry eine Schere und beginnt die Binde um
den Babykörper aufzuschneiden. Das Baby windet sich. Aus dem aufgeschnittenen
Verband dringen Innereien und Henry sticht ins Herz. Das Baby spuckt Blut, verendet,
aus seinem Inneren quillt eine schaumige Masse, die Steckdose sprüht Funken,
die Lampe brummt, flackert und erlischt. Das Monster ist tot. Der Planet erscheint
wieder und die Kruste bricht auf, er ist innen hohl. Hinter Henrys Kopf wirbeln
Radierspäne. Im Inneren des Planeten: Der Mann im Planeten (Gott), der
vergeblich versucht den Hebel umzulegen. Der Hebel klemmt und wieder sprühen
Funken. Alles wird hell, und Henry ist bei der Frau hinter der Heizung, sie
umarmen sich, und der Film ist zu Ende.
Eine Bewusstseinsgeschichte?
"Eraserhead" ist ein Mosaik, das ohne
die Intuition des Zuschauers nicht zusammengesetzt werden kann, und die Vielfalt
der dabei individuell entstehenden Gesamtbilder ist bei "Eraserhead"
wahrscheinlich grösser als bei allen späteren Lynch-Filmen. "Eraserhead"
ist auch in seinen "normalsten" Szenen immer schon ein reines Traumszenario.
Und es gibt mindestens noch drei Parallelrealitäten, die sich auf die "normale"
Ebene beziehen. Alles zusammen lässt sich wie verschiedene Bewusstseinsebenen
eines Menschen zu einer komplexen "Bewusstseins-Geschichte" desselben
zusammenfügen. Aber zu welcher?
Der, was die Inhalte seiner Filme betrifft, verschwiegene
Lynch ("Ich liebe die Vorstellung, dass etwas für unterschiedliche
Leute unterschiedliche Bedeutung haben kann.") hat selbst folgenden Hinweis
gegeben (und damit angedeutet, dass die Geschichte für ihn gleichwohl ein
Rätsel mit einer bestimmten Lösung ist): "Es passieren gewisse
Dinge in der (Prolog-) Sequenz, die der Schlüssel zum Rest sind."
Gehen wir jetzt einmal davon aus, dass obige Deutung
der Anfangssequenz mehr oder weniger zutrifft; handelt es sich dabei also um
einen Zeugungsvorgang, erschliesst sich Stück für Stück folgende
(vorsichtige) Lesart:
Henrys Leben befindet sich zwischen zwei Polen:
Dem, was er sich erhofft, und dem, was er als Welt vorfindet. Sein Hauptproblem
ist sein eigenes Kind, weil es ihn in jeder Hinsicht einschränkt und weil
es mönströs und zumindest befremdend für ihn ist. Das Kind steht
auch für die Verbindung zu Mary, die (ohne Liebe von ihrer Seite) eine
Zwangsehe ist, ein Sicheinrichtenmüssen in einer freudlosen Welt. Die freudlose
Welt findet sich generell als düstere Aussen-und Innenkulisse wieder. Und
speziell die Ehe und Familie, als Institution freudloser Zweckmässigkeit,
spiegelt sich in den absurden Typisierungen von Marys Eltern (und der Grossmutter,
die reglos auf einem Stuhl sitzt) wider: Hier hat schon jeder lange bis zur
neurotisch verzerrten Erstarrung seine Rolle in der Familie gespielt, und Henry
ahnt, dass ihm das gleiche bevorsteht.
Die "Pille" und "Eraserhead"
Henrys Wunschtraum (ein geheimnisvolles Hilfsmittel
zu dessen Verwirklichung ist der Wurm) ist die Vereinigung mit der Traumfrau
hinter der Heizung. Sie verheisst ihm eine freie Welt, in der alles schön
ist,- und in der es keine Befruchtungen (also keine bedrohlichen Missgeburten,
noch deren Pendant, die Zwangsehe) mehr gibt, denn sie weiss, wie sie gezielt
Spermien töten kann (Wenige Jahre nach Einführung der Antibabypille
ist diese erste relativ zuverlässige Verhütungsmethode für Lynchs
Film vielleicht von nicht geringer Bedeutung gewesen). Im Gegensatz zur frustrierten,
spröden und hausbackenen Mary lächelt sie freundlich und gleichwohl
hausbacken. Henry muss jedoch, bevor er sie gewinnen kann, Prüfungen bestehen,
die ihm eher zustoßen, als dass er sie aktiv meistert, bis auf die letzte,
wichtigste. Henry ist eher ein Abenteurer des Unbewussten, sein Abenteuer ist
sein Träumen.
Henrys anderer, verdrängter und feuchter Wunschtraum
ist die Verführung durch die Nachbarin, aber sie hat mit Mary gemeinsam,
dass sie ihn nicht liebt. Nach dem Geschlechtsakt mit ihr versucht er zur Heizungsfrau
zu gelangen. Doch nun stellt sich sein Hauptgegner, sein privater Dämon,
der Schöpfer seiner widrigen Umstände, der Mann vom Planeten in den
Weg und entweder ist er es, der Henry köpft, oder das Baby. Das Baby ist
jedenfalls nun das, was für ihn denkt und aus seinem Anzug guckt, während
seine eigene Gehirnmasse nur noch der Auslöschung dient. Das Gehirn als
Instrument zum Ausradieren des Wortes und der Erinnerung- eine exakte Umkehrung
seiner herkömmlichen Funktion. Das Radieren einerseits als Tod und Verlöschen
der Identität, andererseits als Befreiung von einer Identität, die
Henry in Ketten gehalten hat.
Erst nach diesem Traum (und nach Henrys Enttäuschung,
die Nachbarin mit einem anderen zu finden) ist es ihm möglich, der Wahrheit
ins Auge zu sehen. Er zerschneidet die Windeln und entdeckt die endgültige
Monstrosität des Babys, und nachdem er es als Lüge entlarvt hat -es
ist ja nun wirklich alles andere als ein menschliches Wesen-, kann er sich von
ihm befreien, indem er es tötet. Aber mit diesem Schritt entlarvt er auch
den Hebelsteller, den Gott, der im Planeten sitzt, dessen Weltenplan der obszönen
Sinnlosigkeit überführt ist. Durch den Kindsmord hat Henry gleichzeitig
die Schöpfungsmaschinerie zerstört. Gottes Gesetze, seine Hebel, funktionieren
nicht mehr, und Henry ist frei. Der Vereinigung mit der geliebten Heizungsfrau
steht nichts mehr im Wege.
Das Unbewusste als Filmplot
Eraserhead ist ein Film über eine Emanzipation
und ich glaube, er ist einer der persönlichsten Filme Lynchs. Lynch selbst
hat zugegeben, dass er vieles mit Henry gemeinsam hat, und wenn wir Henry bei
seinem Tagtraum beobachten, in dem ihm die Heizungsfrau erscheint, vollziehen
wir genau das nach, was Lynch selber (der lange Zeit wegen Geldmangels selber
in Henrys Filmzimmer gewohnt hat) angesichts der Heizung phantasierte. An diesem
Beispiel können wir uns ein Bild darüber machen, wie Lynch seine phantastischen
und absurden Filmideen zu gewinnen pflegt. David Lynch bezieht seine (filmischen)
Ideen und Vorstellungen aus seinem Unbewussten und Henrys Vorgehensweise ist
exakt dieselbe. Um sein Problem zu lösen braucht Henry jene parallelen
Bilder und Symbole, ohne sie würde er in seiner grauen, bedrohlichen und
frustrierenden Realität gefangen bleiben. Er schafft Beziehungen zwischen
den Ereignissen und seiner Imagination, und allein mit ihrer Hilfe kann er die
Dinge in ihrer für ihn wirklichen und gänzlichen Bedeutung erkennen,
und verändern, bzw. sich von ihnen befreien.
Der Umstand, dass der junge Lynch zur Entstehungszeit
von "Eraserhead" gerade geheiratet hatte, Vater eines missgebildeten
Kindes geworden war und sich während der Dreharbeiten von seiner Frau getrennt
hatte, war für die Entstehung des Films sicher nicht ohne Einfluss. Das
Schöne an "Eraserhead" ist aber, dass dieser Film nicht nur eine
persönliche, private Problematik abdeckt, sondern dass er quasi unbegrenzt
und universell einsetzbar ist. "Eraserhead" skizziert, in einer erweiterten
Perspektive, z.B. auch generell den Konflikt eines kreativen Menschen, der die
für seine Kreativität notwendige Unabhängigkeit durch Ehe und
Familie bedroht sieht, und überhaupt die (subjektiven) Schrecknisse einer
zu frühen Vater- oder Mutterschaft (Statt des eigenen Kopfes regiert das
Baby über einen).
Maschine, Atom und Mutation
Aber wenn wir es ganz groß haben wollen, dann
ist "Eraserhead" auch ein (von Frederick Elmes in magischem Schwarzweiss
gedrehter) Film über eine unheimliche und menschenfeindliche Welt, deren
Ästhetik sich aus der Epoche bedient, welche unseren Planeten während
der letzten zwei Jahrhunderte am nachhaltigsten geprägt hat, der Industrialisierung.
Einerseits scheint es, als wäre die Zeit im düster-kapitalistischen
England des 19. Jahrhunderts steckengeblieben (der Mensch wird restlos ausgebeutet,
selbst Henrys Gehirn wird maschinell zu einem materiellen (!) Produkt verarbeitet),
aber die Stürme und Unwetter (die nur akustisch wahrnehmbar sind und dennoch
den Film dominieren) und die ewige Nacht erwecken den Eindruck einer vorhergegangenen
atomaren Katastrophe (an Henrys Wand hängt ein Foto von einem Atompilz).
Henry lebt offenbar in einer Postapokalypse, die selbst den zum Maschinisten
avancierten Gott einer mechanistisch-industriellen Welt nicht verschont hat:
Armselig und strahlenverseucht hockt er in einer Fabrikruine und herrscht über
einen kahlen, toten Planeten. (Im ganzen Film übrigens gibt es kein Blatt
und die Hähnchen sind synthetisch.) Natürlich ist Henrys Baby eine
radioaktive Mutation. Das "Baby" ist das End(zeit)produkt einer langen
Kette der Technologisierung (wenn man es weiterspinnen will, bis zur Gentechnologisierung),
und "Eraserhead" ist nicht weniger als eine kurze, präzise komprimierte
Geschichte der monströsen Moderne,- unter anderem...
"Eraserhead" ist komisch, tragisch, kulturkritisch,
surrealistisch, ein Stummfilm mit Ton, und/oder ein Horrorfilm. Es hängt
vom Betrachter und seiner Tagesform ab. Interpretieren Sie mit, und bitte FÜHLEN
Sie diesen Film! Schon lange ist "Eraserhead" Kult, aber vor allem
ist "Eraserhead" ein Meisterwerk,- ganz egal, was ich Ihnen einreden
will...
Andreas Thomas / 9 von 10 Punkten
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: filmrezension.de
Zu
diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Eraserhead, USA 1977, 89 Min., Schwarzweiß,
Deutscher Kinostart: 7.9.1979
Regie und Drehbuch: David Lynch,
Kamera: Frederick Elmes, Herbert Cardwell, Schnitt: David Lynch, Musik: Peter
Ivers (songs), David Lynch, Fats Waller, Künstlerische Leitung: David Lynch,
Soundeffekte: David Lynch, Alan Splet, Ton: Alan Splet, Produzent: David Lynch,
Darsteller: Jack Nance (Henry Spencer), Charlotte Stewart (Mary X ), Allen Joseph
(Mr. X), Jeanne Bates (Mrs. X), Judith Anna Roberts (Nachbarin), Laurel Near
( Frau in der Heizung), Jack Fisk (Mann im Planet), Jean Lange (Grossmutter),
Thomas Coulson (Junge)
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