zur startseite
zum archiv
Die
Fälscher
Blüten des
Bösen
Im Virtuosen unernst: Der deutsche Wettbewerbsfilm
"Die Fälscher" von Stefan Ruzowitzky ist leicht unbeholfen
"Die Fälscher"
beruht auf einer wahren Geschichte. Im Konzentrationslager Sachsenhausen verfolgten
die Nationalsozialisten das Unternehmen Bernhard. Im großen Stil sollte
Geld gefälscht werden, um mit den Blüten die britische und die US-amerikanische
Wirtschaft zu schwächen. Dazu herangezogen wurden KZ-Häftlinge mit
der entsprechenden Expertise: Drucker, Typografen und ein russisch-jüdischer
Geldfälscher namens Salomon Smolianoff. Im Film von Stefan Ruzowitzky heißt
er Salomon Sorowitsch und wird von Karl Markovics hinlänglich zwielichtig
gegeben. Kaum berühren ihn moralische Fragen, getrieben wird er vor allem
von seinem Ehrgeiz: Sein Ziel ist die perfekte Dollarblüte.
Ruzowitzky stellt dem amoralischen
Protagonisten mit der Figur des Adolf Burger (August Diehl), auf dessen Memoiren
der Plot des Films beruht, ein Gewissen zur Seite. Burger muss die Sätze
sagen, die sich der Zuschauer selbst denken kann. "Wir finanzieren den
Nazis den Krieg", zum Beispiel. Diehl gibt seinem hübschen Gesicht
dabei einen sehr ernsten und betroffenen Ausdruck, sodass ein jeder den zentralen
Konflikt begreift: Wer verhält sich richtig? Der Gauner, der keine Ideale
hat, aber in seinem Trickstertum menschlich zu bleiben versucht? Oder der Idealist,
dessen hehre Absichten unter den Bedingungen des Konzentrationslagers leicht
die gegenteiligen Effekte zeitigen?
Aus einem Lehrstück könnte
diese Anordnung stammen; aufgebrochen wird sie durch die Kameraführung
von Benedict Neuenfels und die Montage von Britta Nahler. Diese ist elliptisch,
manchmal bündelt sie in fünf rasch aufeinanderfolgenden Einstellungen
das Wesen einer Figur. Wenn etwa Frau Herzog, die Gattin des SS-Mannes, der
die Fälscherwerkstatt ins Leben gerufen hat, mit vier, fünf Jump Cuts
als überspannt charakterisiert wird, dann ist das nicht nur sehr schnittig,
sondern in der Verdichtung auch verblüffend und neu. Neuenfels seinerseits
setzt auf eine entfesselte Kamera, auf schräge Blickwinkel und schnelle
Schwenks, auf Spiele mit der Schärfe und auf einen expressives Licht. Die
Farbe ist am Anfang und am Ende, in den in Monte Carlo und Berlin spielenden
Szenen, stark. Doch sobald der Film im Konzentrationslager angekommen ist, weicht
sie Weiß- und Grautönen, ganz so, als hätten die Nazis mit der
Menschlichkeit auch die Farben aus der Welt getrieben. Der Versuch, der KZ-Realität
mit betont artifizieller Kameraführung beizukommen, ist nicht neu. In Volker
Schlöndorffs "Der
neunte Tag" etwa waren vergleichbare Störmanöver
des Blickfeldes genauso wahrzunehmen wie in "Fateless". Wo die fundamentalen
Regeln des Miteinanders außer Kraft sind, sollen auch die Vertrautheiten
schwinden - die Schuss-Gegenschuss-Folgen oder die geordneten Kombinationen
von Totalen und kleineren Einstellungsgrößen.
Dabei laufen Neuenfels und Ruzowitzky
in dem Maße Gefahr, über der Virtuosität und der Verspieltheit
der Bilder den Ernst der Sache zu verkennen, wie Sorowitsch mit seiner Virtuosität
als Fälscher den Effekt seines Tuns für die Kriegsökonomie außer
acht lässt. Ein Dilemma, das sich so wenig auflösen lässt
wie die Frage, ob ein Konzentrationslager als Schauplatz für einen dem
Krimifach entlehnten Spielfilmplot taugt. Wo "Die Fälscher" moralischen
Diskurs und geldfälschende Frivolität gegeneinander antreten lässt,
hat der Film etwas unbeholfen Dozierendes; zugleich entwickelt Ruzowitzky dreidimensionale
Figuren und vermeidet jede Form der Viktimisierung, indem er die Häftlinge
als Akteure begreift. Wenn er zudem den SSler Herzog (Devid Striesow) wie einen
Manager im Neoliberalismus reden lässt, so ist dies immerhin eine hübsche
Pointe.
Cristina Nord
Dieser Text ist zuerst erschienen,
anlässlich der Berlinale 2007, in der taz
Die
Fälscher
Deutschland
/ Österreich 2006 - Regie: Stefan Ruzowitzky - Darsteller: Karl Markovics,
August Diehl, Devid Striesow, Martin Brambach, August Zirner, Veit Stübner,
Sebastian Urzendowsky, Andreas Schmidt - FSK: ab 12 - Länge: 98 min. -
Start: 22.3.2007
zur startseite
zum archiv