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Good Night, and Good Luck
Ein
Stück Aufklärung
George Clooneys gelungener
Medienfilm Good
Night, and Good Luck
Zu Beginn der fünfziger Jahre
geschah in den Vereinigten Staaten von Amerika etwas, das Verfassungen und Selbstbildnisse
moderner Staaten nicht vorsehen: Eine demokratische Gesellschaft brachte aus
sich selbst heraus eine terroristische, anti-demokratische Kraft hervor, die
unter Berufung auf eine zugleich äußere und innere Gefahr damit begann,
die Bürgerrechte zu beschneiden, Angst und Misstrauen als Machtmittel zu
benutzen und eine informelle Herrschaft außerhalb der Institutionen von
check and
balance zu
errichten. Senator Joseph McCarthy führte gegen Kommunisten, solche, die
es sein könnten, solche die man verdächtigen durfte, und ganz allgemein
gegen "un-amerikanische" Menschen eine Kampagne, die man später
nicht von ungefähr als witchhunt, als Hexenjagd, bezeichnete.
Seither kennen alle demokratischen
Gesellschaften mehr oder weniger begrenzte, mehr oder weniger temporäre
Anfälle eines ähnlichen inneren Terrors: Was Senator McCarthy damals,
roh und rüpelhaft, anzettelte, das ist in etwas verfeinerter Form zur Begleiterscheinung
der Demokratiegeschichte geworden. Wie viel "McCarthyismus" eine Gesellschaft
verträgt und sich gefallen lassen muss, das hängt entscheidend von
Verantwortung und Mut in der Kultur des Journalismus ab. Gefährlicher noch
als das Auftauchen immer neuer McCarthy-Gespenster ist für die demokratische
Gesellschaft eine politisch ruhig gestellte und ökonomisch korrumpierte
Presse. Und immer sind es nur Einzelne, die ein Vorbild von Zivilcourage geben
können, dem zu folgen dann, vielleicht, möglich wird. Einem davon
hat George Clooney mit Good
Night, and Good Luck
einen Film gewidmet. Einen Film, der in seiner fast demütigen Klarheit
daran erinnert, dass sich Geschichte zwar nicht wiederholt, dass aber gewisse
Wirkkräfte in ihr zu zyklischer Wiederkehr neigen.
Der Journalist Edward R. Murrow
nutzte damals das aufstrebende Medium Fernsehen, um trotz aller Widerstände
im eigenen Medium gegen Senator McCarthy zu argumentieren. Nicht etwa gegen
seine Ansichten, nicht gegen sein politisches Milieu, sondern gegen die Verfälschungen
und Widersprüche in seinen Argumentationen und in seinem Vorgehen selbst.
Murrow und sein Produzent Fred Friendly riskierten eine Menge, Karriere und
sozialen Status eingeschlossen. Die Mechanismen des Fernsehens zu dieser Zeit
begünstigten solche Kritik und hoben sie zugleich wieder auf: Murrow brachte
mit seinen politischen Sendungen dem Sender CBS zwar hohe Einschaltquoten, aber
keine Werbeeinnahmen. Deswegen wird seine Arbeit eine Zeit lang geduldet, bis
sich abzeichnet, dass die Macht des Senators gebrochen ist und das Land zu einer
gewissen Normalität zurückkehrt. Dann aber obsiegen die Interessen
der Sponsoren und die Wünsche des Publikums nach unterhaltenden Game Shows.
Mit dem Senator verschwindet auch sein Gegner von der politischen Bildfläche.
Schon auf den ersten Blick besticht
Clooneys zweite Regiearbeit durch ihre stilistische Reinheit. In diesem low-key-Schwarzweiß-Film, in dem
Wert auf jedes Detail in Ausstattung und Technologie gelegt ist, geht es weniger
um ein Erzählen (und schon gar nicht um heroisches, melodramatisches Erzählen)
als vielmehr um ein dokumentarisches Revivre einer gesellschaftlichen Schlüsselsituation.
Diese Situation ist selbst so stark, dass sie keinerlei Überhöhung,
keine Abschweifung und keine Unterfütterung benötigt. Nur den Mut,
sich konsequent auf sie einzulassen. Wieder bezieht Clooney seine Ästhetik
aus einer stilistischen Referenz. In seinem Spielfilmdebüt Confessions of a Dangerous
Mind hatte
er ganz offen Bezug genommen auf die medienkritischen Filme der siebziger Jahre,
von Mike Nichols oder Sidney Lumet. Hier indes benutzt er die Ästhetik
der kritischen, rauen Dokumentarfilme aus den sechziger Jahren, wie sie D.A.
Pennebaker oder Robert Frank drehten. Auch Primary von Robert Drew, die vom
Cinema Verité inspirierte Dokumentation über Kennedys Vorwahlkampf
in Wisconsin, wird einige Male direkt zitiert. Der Stil dieser Dokumentation
besteht vor allem in einer Nähe zu den Menschen und zu den konkreten Geschehnissen.
Und er enthält ein politisches Modell. Weder geht es um abstrakte Machtbeziehungen
und undurchschaubare Verschwörungen noch um die großen Einzelnen,
die Politik machen in einer Sphäre weit von den staunenden Massen entfernt.
Es geht vielmehr um Schlüsselsituationen, in denen es Entscheidungen, Methoden,
Allianzen und Urteile gibt. Und jeder Mensch, von oben wie von unten, kann in
solche Schlüsselsituationen des Politischen kommen. Deshalb vermeidet Clooney
nicht nur die Mythologie eines Biopic - wir sehen sehr genau die Situation,
in der sich Murrow und seine Mitarbeiter befinden, wenig bis nichts aber wird
über ihre Backstory und ihr Gefühlsleben vermittelt -, er vermeidet
auch den heroischen Thrill einer Geschichte des Musters "Außenseiter
gegen Mehrheit".
Natürlich spürt man
in Clooneys Filmen den biografischen Bezug. Confessions of a Dangerous Mind war deutlich inspiriert von Erfahrungen und Ratschlägen seiner
Tante, der Sängerin Rosemary Clooney, und Good Night, and Good
Luck ist auch eine Untersuchung über die
Profession des Vaters, Nick Clooney, der einst Nachrichtenredakteur und Talk-Show-Gastgeber
war, sich als Politiker versuchte, 2004 vergeblich als Kongressabgeordneter
kandidierte und schließlich desillusioniert vom Medium war: "Er hörte
auf, als die Nachrichten immer weniger mit Information und immer mehr mit Unterhaltung
zu tun hatten." Aus diesen Erfahrungen erklärt sich am ehesten die
Mischung aus Zärtlichkeit und Resignation, mit der Clooney seinen Medienleuten
bei der Arbeit zusieht.
David Strathairn, den man aus
den Filmen von John Sayles kennt, zeigt eine ungeheure Präsenz in der Darstellung
eines Menschen, der sich eine Aufgabe gestellt hat und vollkommen in ihr aufgeht.
Aber auch die anderen Darsteller, Clooney selbst, der sich ganz zurücknimmt
in der Rolle des Produzenten Fred Friendly, Robert Downey Jr. und Patricia Clarkson
als Joe und Shirley Wershba, die verbergen müssen, dass sie miteinander
verheiratet sind, weil die Firmenpolitik Verbindungen von Mitarbeitern untersagt,
oder Ray Wise als Kollege, der die Hexenjagd nicht übersteht, spielen gleichsam
"dokumentarisch". Sie zeigen Verhalten, Interesse und Entscheidung
in einer Situation, die für sie vollkommen offen ist. Ohne die transzendentale
Gewissheit des Genre-Helden und ohne die Entschuldigungen des psychologischen
Realismus.
Die Figuren sind fiktiv-dokumentarisch,
nur eine, die zweite Hauptfigur sozusagen, ist ganz und gar sie selbst: Senator
McCarthy wird ausschließlich in Dokumenten präsentiert. Das hat einen
einfachen Grund: Keinem Schauspieler würde man glauben, dass jemand einst
so auftreten und damit durchkommen konnte. Doch der formale Trick ist auch rhetorisch
von Bedeutung: Tatsächlich kann sich jemand wie McCarthy nur selbst entlarven,
ansonsten würde jene neue Rechte, die ihn bereits rehabilitieren möchte,
auf eine Denunziation verweisen. Und Clooney macht gerade das perfekt, weil
er es fair und behutsam macht. Auch insofern ist Good Night, and Good Luck im Vergleich zur Brachial-Kritik von Michael Moore ein enormer
Schritt. Clooney lässt dem Zuschauer stets genug Raum, sich selbst zu orientieren.
Ihm ist ein hübsches Stück kinematografischer Aufklärung gelungen.
Georg Seeßlen
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: epd Film
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Good Night, and Good Luck
USA 2005. R: George Clooney. B: Grant Heslov, George Clooney.
P:
Grant Heslov, Steven Soderbergh. K: Robert Elswit. Sch: Stephen Mirrione. M:
Allen Sviridoff. T: Edward Tise. A: Jim Bissell, Christa Monro. Ko: Louise Frogley.
Pg: Warner/Section Eight. V: Kinowelt. L: 93 Min. Da: David Strathairn (Edward R. Murrow),
George Clooney (Fred Friendly), Robert Downey Jr. (Joe Wershba), Patricia Clarkson
(Shirley Wershba), Jeff Daniels (Sig Mickelson), Ray Wise (On Hollenbeck), Frank
Langella (William Paley), Tate Donovan (Jesse Zousmer).
Start: 6.4.2006 (D)
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