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Hulk
Der grüne
Riese
Bisher hat Ang Lee einfache Geschichten mit großer
Komplexität erzählt. Nun sucht er einfache Lösungen für
komplizierte Sachverhalte: "Hulk"
Ang Lee als Regisseur für die Verfilmung des
Marvel-Comics "The Incredible Hulk" zu gewinnen, hat als Idee seinen
Reiz. Der Sommer-Blockbuster 2003 und der Liebling der Kritiker, dessen Schwertkämpfer-Epos
"Tiger & Dragon" heute als der erfolg- und einflussreichste Arthouse-Film
Hollywoods gilt: Das ist ein Projekt bilateraler Interessen. Allein der Name
Ang Lee hat der Produktion schon im Vorfeld Prestige verschafft, steht er doch
im aktuellen Kommerzkino für eine Wertetradition, die nahezu unkorrumpierbar
für eine persönliche Bildsprache eintritt.
Doch wie sich an "Hulk" zeigt, sind die
ästhetischen Differenzen zwischen dem ostasiatischen Kino (lange, fließende
und sorgfältig komponierte Einstellungen) und Marvels Pop-Universum (verkeilte,
bewegliche und überlappende Bild-Tableaus/Split-Screens) unüberwindlich.
Die körperliche Eleganz und emotionale Erhabenheit von Lees Schwertkämpfern
aus "Tiger & Dragon", ihre Fähigkeit, allein kraft ihrer
spirituellen Verwurzelung Raum und Zeit aus den Angeln zu heben, werden in "The
Hulk" schon durch die unbeholfene Erscheinung des grünen Riesen gebrochen.
Lee ist sich dessen wohl bewusst. Sein Hulk sieht wie die Karikatur eines computergenerierten
Monsters aus.
Wo Hollywoods Comic-Verfilmungen nach einem bedingungslosen
Realismus der künstlichen Bilderwelten streben, geht Ang Lee mit "The
Hulk" den umgekehrten Weg. Er überhöht die Künstlichkeit
der Vorlage durch eine formale Unverhältnismäßigkeit, die seinem
Film streckenweise eine expressionistische Klasse verleiht. So scheint sein
Hulk, ähnlich wie King Kong in der ersten Verfilmung von Schoedsack aus
dem Jahr 1933, in manchen Szenen einige Meter groß, in anderen dafür
umso gigantischer. Was hier als letzter Ausdruck von Menschlichkeit zurückbleibt,
sind die traurigen Augen in der aus Bits and Bytes modellierten grünen
Gesichtsmaske.
An einer bewusst ironischen Brechung seines Rufes
arbeitet Lee besonders in den Flugszenen des Hulk, die in puncto Fliehkraft
und Eleganz eher an die Stop-Motion-Animationen Ray Harryhausens erinnern. Lees
Hulk überwindet mit einem Satz gleich mehrere Meilen und schafft es auch
schon mal, sich aus dem Stand an einen vorüberfliegenden Helikopter zu
klammern, bleibt aber immer ein ungehobelter Klotz.
Dem kniffligsten Problem einer realistischen Annäherung
an eine nichtmenschliche Figur ist Ang Lee so geschickt ausgewichen. Im Gegenzug
jedoch hat er die menschliche Tragödie des Wissenschaftlers Bruce Benners
(Eric Bana), den Kern der Comic-Erzählung, mit allzu viel Bedeutung beladen.
Der Generationenkonflikt, den "Hulk" weit mehr noch als die Vorlage
von Stan Lee und Jack Kirby heraufbeschwört, gipfelt in einem gutgläubigen
Clash der Institutionen, die in der Realität längst kooperieren: Universität
und Militär. Benner ist ein Nerd im Dienste des "guten", richtigen
Fortschritts; er und seine Exfreundin Betty Ross (Jennifer Connelly) halten
das Ideal einer fröhlichen Wissenschaft hoch, während der corporate
fiend in Gestalt von Benners Widersacher Talbott (Josh Lucas) die Laboratorien
nach nützlichen Forschungsergebnissen für den militarisch-industriellen
Komplex durchschnüffelt. Eines Nachts kommt es im Labor zu einem Unfall,
der zusammen mit den Folgen eines alten genetischen Experiments seines Vaters
die biochemische Kettenreaktion in Benners Körper triggert.
Im Ringen um ihre Väter doppelt sich bei Lee
der Ermächtigungskampf der jungen Wissenschaftler. Benner hat zeit seines
Lebens um seine Vergangenheit und die Erinnerung an seinen Vater David (Nick
Nolte) gekämpft, von dem er glaubte, dass er vor Jahren bei einem verbotenem
Experiment ums Leben gekommen sei (von diesem Selbstversuch erzählt der
Prolog von "The Hulk"). Der verdrängte Vaterkonflikt findet in
Benners körperlichem "Handicap" schließlich seine physische
Manifestation. Bettys Vater, General Ross (Sam Elliot), dagegen ist Repräsentant
einer rigiden Militär-Autorität, die von zwei Generationen Benner-Forschung
gründlich untergraben wurde. Ihren verzweifelten Versuchen, dem Fluch der
ewigen Kindheit zu entkommen, steht immer der militärische Machtapparat
im Weg.
Die übertriebene Militärpräsenz ist
der eigentliche Anachronismus von Ang Lees "Hulk"-Verfilmung. Deren
Drastik kommt jedoch nicht unbedingt überraschend: So konfus ist das Drehbuch,
dass am Ende nur noch eindeutige Fronten Klarheit schaffen können. Komplizierte
Sachverhalte erfordern einfache Lösungen; Ang Lee ist bisher entschieden
besser darin gewesen, seine einfachen Geschichten in großer Komplexität
zu erzählen.
Andreas Busche
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der taz
Zu diesem Film gibt's im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken.
Hulk
(Hulk)
USA
2003,137 Minuten
Regie:
Ang Lee
Drehbuch:
James Schamus, John Turman, Michael France, nach den Marvel-Comic-Figuren von
Stan Lee und Jack Kirby
Musik:
Danny Elfman
Kamera:
Frederick Elmes
Schnitt:
Tim Squyres
Ausstattung: Rick Heinrichs, John Dexter, Greg Papalia, Cheryl Carasik
Darsteller:
Eric Bana (Bruce Banner / Krensler), Jennifer Connelly (Betty Ross), Sam Elliott
(General Ross), Josh Lucas (Talbot), Nick Nolte (David Banner), Kevin O. Rankin
(Harper), Cara Buono (Edith Banner), Paul Kersey (Bruce als Kind), Mike Erwin
(Bruce als Teenager), Celia Weston (Mrs. Krensler)
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