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Hulk
Es
ist mit Filmen wie beim Fußball. Irgendwann muss jede Serie zu Ende gehen,
vor allem jede Siegesserie. Seit Marvel mit "Blade"
vor mittlerweile einigen Jahren den Startschuss gaben, begeisterten sie mit
einer Reihe außerordentlich gelungener Comicadaptionen (von den entsprechenden
Sequels mal abgesehen) Publikum und (zumeist) auch Kritiker, und mit jedem "Spiderman"
und "Daredevil" hielt man das hohe Niveau oder setzte die Messlatte
sogar noch ein Stückchen höher. Aber wie gesagt, jede Serie geht irgendwann
zu Ende, und mit der Leinwandpremiere von Marvels großem grünen Grummel,
dem Hulk, endet Marvels Siegesserie. Nicht mit einer vernichtenden Niederlage,
aber zumindest mit einem äußerst glücklichen Unentschieden in
der Nachspielzeit.
Die
Geschichte des Hulk ist - dem Medium entsprechend - schnell erzählt, obwohl
das Drehbuchteam in einigen Fällen ein ganzes Stück von der Vorlage
abweicht: Der junge Wissenschafter Bruce Banner (Eric Bana) ist ein Mann mit
emotionalen Problemen. Das weiß Ex-Freundin und Kollegin Betty Ross (Jennifer
Connelly) nur zu gut. Doch Banners emotionale Probleme sind nicht gewöhnlich,
und ihre Ausdrucksform ist es auch nicht. Denn diese Ausdrucksform ist saugroß,
froschgrün und tierisch schlecht gelaunt: sein Alter Ego, der Hulk, ein
geistig simples aber um so kraftvolleres Monster, dass sich den Weg nach außen
bahnt, wenn Banner in Wut gerät. Die Schlüssel zu dieser Metamorphose
liegen zugleich in Vergangenheit und Gegenwart. In der Vergangenheit, denn seine
Gene sind durch das Erbmaterial seines Vaters David Banner, der in Selbstexperimenten
mit Genmanipulation herumfuhrwerkte, vorbelastet. Und in der Gegenwart, denn
ein Unfall mit radioaktiver Strahlung setzt schließlich das Monster frei,
das jahrelang in Banner geschlummert hat. Zu dumm, dass Bettys Vater, General
Ross (Sam Elliott) den Sohn ob der Sünden des Vaters im Blick hat und die
Welt vor dem Hulk schützen will. Doppelt dumm, dass Bruces neidischer Kollege
Talbot (Josh Lucas) aus Ruhm- und Geldgier dem Hulk zusetzt. Und dreifach dumm,
dass dann auch noch sein lange verschollener Vater (Nick Nolte) auftaucht, mit
nicht ganz eindeutigen Absichten. Banner muss seine Wut und damit das Monster
in sich in den Griff bekommen. Vielleicht liegt der Schlüssel dazu in einer
schmerzlichen Kindheitserinnerung? Die Zeit drängt, denn des Hulks Häscher
sind ihm dicht auf den Fersen.
"Hulk"
ist kein wirklich schlechter Film, aber eben auch kein Guter. Was auch für
den Regisseur das Ende einer Siegesserie, seines erfolgreichen Streifzuges durch
die verschiedensten Genres, bedeutet. Während sein asiatischer Kollege
John Woo immer noch heimlich von der Verfilmung eines Musicals träumt und
dann doch wieder ein ballistisches Ballett inszeniert, weil er dies eben am
Besten kann, so hat sich Ang Lee von Schubladendenken nie aufhalten lassen.
Und so drehte der Mann (meist mit Drehbuchpartner James Schamus im Boot) nacheinander
eine Jane Austen-Verfilmung ("Sinn und Sinnlichkeit"), ein Familiendrama
("Der
Eissturm"),
einen Western ("Ride
with the Devil")
und einen mythischen Martial Arts-Streifen ("Tiger
und Dragon").
Jeweils entweder sehr, zumindest aber ziemlich erfolgreich.
Doch
mit einer Comicverfilmung - die Liebe seiner Söhne für Comics war
für ihn da kein unwesentlicher Faktor, es zu versuchen - gerät er
ins Straucheln. Lees K(r)ampf zwischen Wunsch nach Charakterkino und den Forderungen
des Mainstream-Blockbusterkinos hängt dem Projekt wie ein Sack Blei am
Kreuz, sorgt dafür, dass der Film weder Fisch (wirkliches Charakterkino)
noch Fleisch (wirkliches Popcornkino) ist. Unentschieden, wie gesagt. Und im
wahrsten Sinne des Wortes. Denn Lee hat sich nicht entschieden, nicht entscheiden
können. Etwas Charakterbedingtes sollte es schon sein, sonst wäre
er nicht interessiert gewesen. Aber es sind ironischerweise die reinen Popcornmomente,
die am Besten rüberkommen. Die Flucht des Hulk aus einem militärischen
Labor, sein Kampf mit den Verfolgern (inklusive lustigem, aus dem Comic bekannten
Panzer-durch-die Luft-schmeißen) und die Zerstörung von San Franciscos
Straßenzügen: Ausgerechnet die simplen Freuden dieses überambitionierten
Projekts machen Spaß.
Denn
ansonsten verstrickt sich Lee in Vater und Sohn-Drama, genauer Melodrama, das
einfach nicht recht funktionieren will. Eine Abhandlung über emotional
verletzte Kinder, die unter ihren emotional gestörten Vätern leiden,
dies will Lee mit den Paaren Bruce und David Banner und Betty und General Ross
erreichen. Aber das Ganze ist zu offensichtlich angelegt und gerade die Auflösung
der Vater-Sohn-Verhältnisses im Hause Banner ist enttäuschend und
verkommt zum albernen, stereotypischen Comicmoment (im schlechten Sinne).
An
den Darstellern liegt es nicht: Newcomer Eric Bana zum Beispiel macht seine
Sache gut, ist zudem mit einem interessanten Gesicht ausgestattet. Nicht der
typische schöne Hollywoodbeau, ähnelt er ein wenig dem jungen Liam
Neeson und hat eine Mischung aus melancholischen und aggressiven Zügen,
die der Rolle sehr zugute kommt. Auch Raspelstimme Sam Elliott macht als strammer
General eine recht gute Figur. Fast verschenkt werden dagegen Jennifer Connelly
und Nick Nolte. Frau Connelly sieht zwar mal wieder ganz bezaubernd aus, aber
nach etwa der Hälfte des Films hat sie eigentlich nichts mehr zu tun, außer
zu weinen und sorgenvoll zu gucken, dies natürlich wieder ganz entzückend.
Und Nick Nolte im Pennerlook, bestens bekannt von dem während der Dreharbeiten
entstandenen Knastfoto nach betrunkenem Fahren? Tja, der ist mit einer so undankbaren
Rolle gesegnet, dass seine Bemühungen um Dramatik und Ausdruck im guten
Ansatz versumpfen.
Es
gibt weitere Schwächen. Zum einen ist da das Timing dieses mit 138 Minuten
auch überlangen Films. Dem Charakterkinoansatz entsprechend, nimmt man
sich hier Zeit für Charakterisierung, Exposition etc. Ist nix mit fetziger
Anfangssequenz. Leider dauert das alles doch ein bisschen lange, so dass es
eine Dreiviertelstunde braucht, bis der Hulk in Erscheinung tritt (was zum nächsten
Problem führt, aber dazu gleich mehr) und es so richtig losgeht. Danach
geht die Story erst mal etwas rasanter vonstatten, fällt dann aber im Mittelteil
in ein narratives Loch (Passieren tut nicht viel, weder story- noch charaktermäßig),
um dann mit der oben schon erwähnten Flucht des Hulk an Fahrt zugewinnen.
Leider folgt dieser wirklich gelungenen Sequenz noch das große finale
Duell mit einem Endgegner, von dem zwar alle wussten, dass es kommt, aber auf
das man nicht wirklich fiebrig wartet, denn es kommt dann doch alles etwas käsig
daher. Außerdem doof, wenn bei einem Doppelklimax der zweite Teil der
eindeutig Schwächere ist.
Ein
weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem ist die Figur des Hulk selbst.
Komplett computergeneriert kommt er daher und erste Gerüchte, die Animation
sei völlig misslungen, bewahrheiten sich hier so nicht. Der große
Grüne sieht zwar nicht gerade aus wie Pac-Man, aber richtig zu überzeugen
weiß er leider auch nicht. Erst jetzt sieht man, was für eine Großtat
den "Herr der Ringe"-Machern mit dem jederzeit vollständig glaubwürdigen
CGI-Geschöpf Gollum wirklich gelungen ist. Vor allem schafften sie, dieses
und weitere Wesen aus dem Rechner organisch zu integrieren. Und hier hakt's
beim "Hulk". Computergeschöpfe und wirkliche Umwelt wollen sich
einfach nicht zu einer glaubwürdigen Einheit zusammentun, der CGI-Hulk
wirkt jederzeit wie ein Fremdkörper. Nahaufnahmen sind ein gemischter Segen:
Während Mimik und Gestik des von den Gesichtszügen her übrigens
sehr kindlich wirkenden Hulk (die Metamorphose als Rückfall in kindliche
Stadien?) überzeugen, sieht sein Muskelkörper ein wenig zu gummiartig
aus. Wenn auch immerhin nie richtig albern - was man von einigen anderen CGI-Effekten
in "Hulk" nicht sagen kann, den mutierten Hunden zum Beispiel. Diese
treten beim ersten großen Auftritt des Hulk nach langer Wartezeit in Erscheinung
- und sehen dann aus wie Outtakes oder Rohfassungen aus einem Animationsfilm.
Der Kampf mit den Hunden - die mit Abstand schlechteste und trashigste Sequenz
des Films - wird zudem noch durch katastrophalen Schnitt und ungelenke Kameraführung
kaputt gemacht.
Wie
viele andere Dinge in "Hulk" sind auch die Kamera- und Schnitttechniken,
mit denen Lee hier einen Comic zum Leben erwecken will, indem er dessen Panelform
imitiert, bestenfalls ein halber Erfolg. Da wird dann mit der Kamera hin- und
herfokussiert und gedreht, gibt es die aus dem "Krieg der Sterne"
bekannten swipe-Übergänge, sowie ständig irgendwelche split screens,
die wie die Panels einer Comicbuchseite wirken sollen. Ein interessanter Einfall,
aber eben auch nicht so richtig erfolgreich. Denn was noch funktioniert, während
man sämtliche Handlungselemente in verschiedenen "Panels" verfolgt,
wird dann zum reinen Gimmick, wenn man lediglich dasselbe Motiv aus zwei oder
vier Perspektiven sieht. Zumal auch grundsätzlich diese Imitation eines
anderen Mediums die Frage aufwirft, ob eine derartige artfremde Imitation erstens
gewünscht ist und zweitens überhaupt erfolgreich sein kann.
"Hulk"
zeigt noch einmal nachdrücklich, wie schwierig es ist, Kunst und Kommerz
zu vereinen. Hier leidet beides. Ang Lee-Fans werden ob des zwar gut gemeinten,
aber nicht immer gut gemachten Erzähl- bzw. Charakterkinos, das sich in
Ansätzen verliert, enttäuscht sein. Fans des großen Popcornkinos
dürften das Erzähltempo und die halbgaren psychologischen Ansätze
des Films auf den Magen schlagen. Und so bleibt da nur der Comicfan. Der guckt
sich den Film sowieso an, kennzeichnet aber gleichzeitig das Dilemma, mit dem
sich "Hulk" zwischen alle Stühle setzt. Denn dieser als nächster
Marvel-Blockbuster konzipierte Streifen wird der Erste sein, der wohl nur ein
reines Comicpublikum wirklich begeistern kann. 2003 als das Jahr der Matrix?
Hmm, vielleicht. 2003 als das Jahr des Hulk? No way. Und wenn er alles kaputtschlägt.
Bewertung:
5/10 Augen
Simon
Staake
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt's im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken
Hulk
(The
Hulk)
USA
2003
Regie:
Ang Lee
Drehbuch:
James Schamus, John Turman, Michael France
Dartsteller:
Eric Bana, Jennifer Connelly, Sam Elliott, Nick Nolte, u.a.
Spielzeit:
138 min.
Kinostart:
03.07.2003
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