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Der
Krieg des Charlie Wilson
Die Geschichte, wie Charlie Wilson in Afghanistan
den Krieg gegen die Sowjetunion gewann, ist trotz mancher Vereinfachung wahr.
Mike Nichols' Filmsatire "Der Krieg des Charlie Wilson" will jedoch
nicht so recht zünden.
Es sind die achtziger Jahre. Charlie Wilson (Tom
Hanks) aus Texas ist ein allseits beliebter, den Frauen, dem Alkohol, dem guten
Leben, nicht unbedingt der politischen Arbeit sehr zugetaner US-Kongressabgeordneter.
Von den Vorgängen im afghanischen Stellvertreter-Krieg zwischen der Sowjetunion
und den USA hat er zunächst einmal so wenig Ahnung wie von all den anderen
Dingen der Welt, die über seinen Horizont gehen. Das ändert sich jedoch,
als sein Horizont in der Angelegenheit Afghanistan mit dem seiner guten Freundin
und Immer-mal-wieder-auch-Bettgenossin Joanne Herring (Julia Roberts: sieht
absichtlich älter aus als sie ist) kollidiert. Diese ist eine reiche texanische
Antikommunistin, Mittelpunkt glorioser Partys in Houston, gute Freundin James
Bakers, Honorarkonsulin in Pakistan. Und überaus durchsetzungsfähig
im Dauereinsatz für die Rechte des amerikanischen Kapitals und die zu seiner
ungehinderten Verbreitung notwendigen Ideologien.
Auf ihr Drängen fliegt Charlie Wilson gen Osten
und trifft herzlich unvorbereitet - die Szene ist einer der nicht gar so vielen
Höhepunkte des Films - den pakistanischen Präsidenten Zia Ul-Haq (immer
schön, den wunderbaren Om Puri in einem Hollywood-Film zu sehen). Der hat
gerade seinen Vorgänger Zulfikar Ali Bhutto um die Ecke gebracht, nimmt
Wilson mit zwei Beratern in die Mangel und spätestens der Besuch des naiven
Amerikaners in einem Camp mit Kriegsflüchtlingen entfacht ein moralisches
Feuer in ihm, das in der Folge Wunder wirkt. Wilson, das war von Anfang an Herrings
strategischer Punkt, ist Mitglied eines Kongress-Unterausschusses, der Gelder
für militärisch gestützte Geheimdienstoperationen bewilligt.
Wilson, dem manche manches schulden, kriegt den Ausschuss-Vorsitzenden Doc Long
(immer schön, den wunderbaren Ned Beatty zu sehen) rum, indem er ihn -
eine der gar nicht so wenigen allzu plumpen Szenen des Films - zu den Taliban
schickt. Dort hält der Vorsitzende, auch er ahnungslos wie nur einer, eine
flammende Rede, an deren Ende ihn die versammelten Mudschaheddin mit "Allahu
Akbar"-Rufen feiern. Er brüllt, von seiner eigenen Beredsamkeit überwältigt,
zuletzt das "Allahu Akbar" mit.
Gelder werden bewilligt, aber mit Geld allein ist
es nicht getan. Ein schlagkräftiges Expertenteam wird zusammengestellt,
dessen Motor ist der temperamentvolle CIA-Mann Gust Avrakotos (Philip Seymour
Hoffman spielt ihn mit Gusto). Die Unterstützungs-Summen steigen ins beinahe
Astronomische, die Taliban werden, mit von Israel (!) auf komplizierten Wegen
gelieferten Stinger-Raketen so lange aufgerüstet, bis die Sowjetunion den
immer teurer werdenden Kampf aufgibt und abzieht. Diese Geschichte ist, das
ist vielleicht das Erstaunlichste daran, mancher Vereinfachung zum Trotz mehr
oder minder wahr.
Natürlich erzählt "Der Krieg des Charlie
Wilson " nicht zuletzt die Vorgeschichte von Al-Quaida und damit des 11.
September. Nicht als Dokudrama, versteht sich, sondern als Satire. Nur bleibt
die Satire auf der Suche nicht nur nach dem richtigen Ton, sondern auch nach
ihrem Objekt. Das Drehbuch von "West Wing"-Autor Aaron Sorkin - nach
einer Vorlage von George Crile - war in einer ersten Version, liest man, sehr
viel schärfer, nach einer Klagedrohung der echten Joanne Herring bügelte
Sorkin notgedrungen manche Spitze weg, heißt es. Jetzt ist Charlie Wilson
statt der Verkörperung fatal kurzfristig denkender US-Politik tatsächlich
eine Art Held, nicht zuletzt, weil er - auf verlorenem Posten - für nachhaltige
Aufbauhilfe für das Land nach dem Krieg plädiert. (Kein Wunder, dass
sowohl der echte Charlie Wilson wie die echte Joanne Herring zur Filmpremiere
stolz aufmarschiert sind. Der echte Gust Avrakotos ist leider schon tot.)
Gerade im Vergleich mit Aaron Sorkins TV-Meisterwerk
"West Wing" wirkt der Film seltsam unfokussiert, besonders deutlich
wird das in den auf den ersten Blick so vertrauten walking-talking-Szenen in den Fluren und Gängen, den Vorräumen
und Hinterzimmern der Macht in Washington. Die komischen Momente geraten klamaukiger
und an die Stelle der genauen Beschreibung des Funktionierens von Ritualen und
Institutionen treten satirische Schrotschüsse ins Ungefähre. Seltsam
kraftlos verweist der Schluss auf die katastrophale Fortsetzung der Geschichte:
Der Kalte Krieg geht zuende und die US-Außenpolitik wendet sich anderen
Schauplätzen zu. Afghanistan bleibt den Taliban überlassen.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen am 06.02.2008 in: www.perlentaucher.de
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Der
Krieg des Charlie Wilson
USA
2007 - Originaltitel: Charlie Wilson's War - Regie: Mike Nichols - Darsteller:
Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Ned Beatty, Emily
Blunt, Rachel Nichols - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge:
102 min. - Start: 7.2.2008
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