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Das
süße Leben
Rasende
Reporter
Das
ewig Weibliche ist begeistert von den Hubschraubern und winkt ihnen zu. An dem
einen hängt eine Statue, in dem anderen sitzt Marcello (Mastroianni). Ein
Luftikus. Im Dienst der täglichen Unterhaltung. Mit seiner Kohorte von
Fotografen (samt Paparazzo) zieht er von Ereignis zu Ereignis. Etwas später
ist man schon am Flugplatz. Die Medienmeute bellt und heult. Ein amerikanischer
Filmstar (Anita Ekberg) in halbstündiger Dauerpositur. Der Bräutigam
(Lex Barker) taucht ein bisschen später auf. Natürlich betrunken.
Er weiß, was er nicht hat an seiner Braut. Alle anderen haben diese Erfahrung
nicht, eingeschlossen Marcello, der es doch wissen müsste. Emma, seine
Frau, die ewige Klage. Es ist wie in einem Bett, in dem man sich ständig
von einer Seite (Depression) auf die andere (Euphorie) wirft, ohne mal ruhig
einfach auf dem Rücken zu liegen und zu genießen. Kommen und ganz
schnell wieder gehen. Die Klette abreißen, und doch fehlt danach etwas.
Diese
im Grunde kleinbürgerliche Alltäglichkeit kennt der Filmstar nicht.
Es gibt Szenen, aber das sind dann eben schon Filmszenen. Ansonsten pflückt
Anita. Sie hat die Wahl. Aber alle Gewählten sind gleich, diese ewigen
Bewunderer ihrer ausladenden Weiblichkeit, es ist schlimmer als bei den Tieren.
Deshalb ist sie die Frau, die ablenkt. Als ob sie die Zivilisation neu erfinden
oder mit Elias um etwas mehr Affektkontrolle bitten würde. Was dabei herauskommt,
sind langweilige Spiele, die niemanden interessieren. Aber das andere wäre
noch lästiger. Ständig diese schwirrenden Männchen, die ansonsten
nichts zu bieten haben. Bis auf das lässt sich das Ganze jedoch ganz gut
genießen, und sei es nur als Traum der anderen. Zwischendurch lernt Marcello
dieses Mädchen kennen, das eigentlich auf dem Land lebt und auch ganz schnell
wieder zurück möchte. Das ist die Reinheit, bedroht von den Exzessen
der Stadt. Eine andere Kinderreinheit findet sich tatsächlich auf dem Lande,
aber diese ist bereits vollständig korrumpiert und weiß mit allen
Tricks der Medienwelt zu spielen. Die beiden Geschwister spielen das Madonnen-Spiel,
die einzige Voraussetzung dafür ist eine relative intakte Katholizität.
Der Rest kommt von ganz alleine, einschließlich Einsatzkommandos der Berichterstattung.
Anschließend
gibt es noch zwei Ausflüge ins dekadente Milieu, wo auch nicht mehr passiert,
als dass etwas Porzellan zerschlagen oder die hundertundfünfzigste Striptease-Aktion
abgenommen wird. Was bleibt nach so viel Desaster noch übrig? Die heroische
Armut der Prostitution? Aber auch hier gibt es keine Bleibe, selbst der Reiz
der bescheidenen Verhältnisse erträgt es nur schwer, wenn ständig
der Boden des Gehäuses, in das Frau sich zurückzieht, überschwemmt
ist, als ob das Leben nur aus Flüssigkeit bestände. Wenn die jeunesse
dorée am Meer angekommen ist, langweilt man sich auch sehr schnell, aber
dieses junge, noch ganz unentschiedene Mädchen taucht wieder auf, es ist
auf der einen Seite einer inselhaften Mulde, Marcello auf der anderen, sie rufen
sich Sachen zu, verstehen sich aber nicht, die Meute zieht ab, Marcello mit,
das Schlussbild gehört dem Mädchen ganz allein, es strahlt wie die
Sonne, aber man hat nicht aufgepasst, weil man nicht weiß, ob sie aufgeht
oder untergeht.
Dieter
Wenk
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
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diesem Film gibt’s im archiv
mehrere Texte
Das
süße Leben
(La
Dolce Vita)
Italien
1960, 174 Minuten
Regie:
Federico Fellini
Drehbuch:
Federico Fellini
Musik:
Nino Rota
Director
of Photography: Otello Martelli
Schnitt:
Leo Cattozo
Produktionsdesign:
Piero Gherardi
Darsteller:
Marcello Mastroianni (Marcello Rubini), Anita Ekberg (Sylvia), Anouk Aimée
(Maddalena), Yvonne Furneaux (Emma), Magali Noël (Fanny), Alain Cuny (Steiner),
Annibale Ninchi (Marcellos Vater), Walter Santesso (Paparazzo), Valeria Ciangottini
(Paola), Riccardo Garrone (Ricardo, Villenbesitzer), Lex Barker (Robert), Polidor
(Clown), Alain Dijon (Frankie Stout), Adriana Moneta (Ninni, Prostituierte)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0053779
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