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Das
Mädchen aus dem Wasser
Das Wichtigste vorweg: Nein, diesmal
gibt es keine finale Überraschung mit großem Staunen und Achso. Wenn
ein Regisseur selbst beim breiten Publikum dafür berüchtigt ist, in
jedem seiner Filme mit einem verblüffenden Dreh aufzuwarten, der die Koordinaten
der Geschichte auf den Kopf stellt, dann muss er sich früher oder später
von seinem Erfolgsrezept trennen. Schon bei THE VILLAGE hatte ein Großteil der Zuschauer genervt bis unwillig auf
die ausgestellten Volten eines selbstverliebten Drehbuchs reagiert.
Auch sonst merkt man M. Night
Shyamalans neuem Film DAS MÄDCHEN AUS DEM WASSER den Willen zur Neujustierung
an. Nach vier Filmen für Disney hat Shyamalan das Studio gewechselt und
für Warner die Geschichte eines nymphenartigen Wesens produziert, das in
den Kanälen eines Swimmingpools haust und in seine eigene Welt zurückkehren
muss. Die Idee des Films begann als improvisierte Gutenachtgeschichte, die der
Filmemacher seinen beiden Töchtern erzählte. Die eigentümliche
Mischung aus düsterem Horror, Melodram und dick aufgetragener Botschaft
ist dabei erhalten geblieben. Statt des doppelten Bodens, der mit den Zweifeln
der Zuschauer spielt, bekennt sich Shyamalan diesmal aber zu einer märchenhaften
Fabulierlust, zum Ausbuchstabieren eines ganzen umfassenden Mythos.
"The Cove", die Zuflucht,
nennt sich ein U-förmiger Wohnblock mit 57 Apartments, in dessen zentralem
Hof ein Swimmingpool liegt. Hier, dem einzigen Schauplatz, entdeckt der verschlossene
Hausmeister Cleveland (Paul Giamatti aus SIDEWAYS) eine geheimnisvolle Frau namens Story (Bryce Dallas Howard),
die sich im Pool versteckt. Sie ist eine "Narf", eine Art Nymphe,
die unsere Welt besucht, um mit ihren übersinnlichen Fähigkeiten ihre
Mission zu erfüllen. Verfolgt wird sie von bösartigen Ungeheuern,
den "Scrunts", die wie grasbewachsene Werwölfe aussehen und mit
aller Macht verhindern wollen, dass Story ihre Reise zurück in die "Blaue
Welt" antritt. Natürlich versucht der Hausmeister ihr dabei zu helfen,
aber erst mit Unterstützung der übrigen Mieter und ihren je besonderen
Fähigkeiten gelingt es, Story wieder auf die Heimreise zu schicken.
Dieses wilde mytho-poetische Sammelsurium,
ein komplettes "Ökosystem von Wesen", wie Shyamalan sagt, schlägt
vor allem deshalb ironische Funken, weil Shyamalan seinem Minimalismus treu
bleibt und sich in den ersten beiden Dritteln des Films daran hält, so
wenig Fantastisches wie möglich ins Bild zu rücken. Selbstverständlich
ist bei Story niemals ein Fischschwanz zu sehen. Selbstverständlich ist
Paul, der große Held der Geschichte, ein Ritter von eher trauriger Gestalt.
Und versteckte Hinweise zur Rettung der Pool-Nixe finden sich nicht etwa in
einer goldbeschlagenen Truhe sondern auf einer ordinären Cornflakes-Packung.
Damit schöpft der Film viel
warmherzigen Humor aus der offensichtlichen Diskrepanz zwischen mythischem Panoramabild
und allzu ordinärer Realität: "Herr der Ringe im Hinterhof"
könnte man diese Methode nennen. Und Shyamalan beweist erneut sein ungeheures
Talent, mit wenigen langen Einstellungen jenseits der Genreklischees glaubhaft
einen ganzen Kosmos entstehen zu lassen.
DAS MÄDCHEN AUS DEM WASSER
will die Magie des Geschichtenerzählens feiern, und man spürt, dass
sich die große Kinomagie nicht einfach einstellen darf, sondern mit Gewalt
erzwungen werden soll. Paul Giamatti als Hausmeister hat nichts weiter zu tun,
als den sympathisch gehemmten Knuddelbär aus SIDEWAYS zu variieren, und
Bryce Dallas Howard spielt erneut die ätherisch-fragile Schönheit
wie schon in THE VILLAGE. Die Hybris des Films offenbart sich in dieser kalkuliert
wirkenden Formelhaftigkeit. Das Lob der Kreativität, auf das Shyamalan
abzielt, wirkt aber spätestens dann selbstgefällig, wenn er selbst
als Schriftsteller auftritt, dem prophezeiht wird, sein Buch werde einst einen
kleinen Jungen beeinflussen, der daraufhin die ganze Welt verändert. Das
Missionarische liegt Shyamalan nicht fern, und hier versagt er sich jede Ironie.
Das neue Fantasy-Melo
von M. Night Shyamalan erzählt die Geschichte eines ätherischen Wasserwesens,
das in seine eigene Welt zurückkehren muss, und erdet die dabei breit ausgefächerte
Mythologie mit viel Ironie. Das unterschwellige Anliegen – ein überschwängliches
Lob der Imagination – gerät aber zur fragwürdigen Selbstbespiegelung
eines großen Regietalents. Die Kinomagie der früheren Shyamalan-Filme
mag sich nicht mehr recht einstellen.
André Götz
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: epd Film
Zu diesem
Film gibt’s im archiv mehrere Texte
Das
Mädchen aus dem Wasser
USA
2006 - Originaltitel: Lady in the Water - Regie: M. Night Shyamalan - Darsteller:
Paul Giamatti, Bryce Dallas Howard, Jeffrey Wright, Bob Balaban, Freddy Rodriguez,
Sarita Choudhury, Jared Harris, Bill Irwin, Noah Gray-Cabey - FSK: ab 12 - Länge:
109 min. - Start: 31.8.2006
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