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Die
Royal Tenenbaums
Tobias
Kniebe stellte in der Süddeutschen Zeitung die entscheidende Frage: „Wer
sind diese Leute, muss man also fragen, die sich der sublimen Größe
dieses Magiers entziehen können?“ Der Magier ist, seiner Meinung nach,
der als neues amerikanisches Regie-Genie gefeierte Wes Anderson, die sublime
Größe hat er in seinem neuesten Film „The Royal Tenenbaums“ entdeckt.
Wer die anderen Leute sind, weiß ich nicht, aber hier ist schon mal einer.
So
recht beschreiben kann Kniebe die Faszination Tenenbaum nicht, das räumt
er selber ein, entdeckt hat er immerhin „tausend popkulturelle oder komplett
private Referenzen“ und es stimmt, die gibt’s, der Film ist übervoll damit.
Aber gerade diese Überfülle, diese Wut, mit der jedes einzelne Bild
bis an den Rand des Wahrnehmbaren mit nichts weiter als sich selbst bedeutenden
Verweisungen (ins Nichts), mit farbenfroher Popkultur ausgestopft wird, stellt
sich, andersrum betrachtet, gerade als das größte Problem dar. Sie
macht nämlich jede einzelne der Einstellungen zum bloßen Ausstellungsstück,
zum Stillleben beinahe, in dem alle Bedeutung, alle Narration, auch die Figuren
stillgestellt sind, tote Requisiten.
Diese
Requisiten, die die Figuren sind, müssen nun - ganz und gar künstlich
und mühevoll - reanimiert werden durch einen Plot, der Wes Anderson im
Grunde seines Herzens scheißegal ist, durch Schicksale, mit denen er einen
Scherz um den anderen treibt. Unterteilt ist sein Film in acht Kapitel plus
Epilog, eingeleitet wird jedes dieser Kapitel durch den Blick auf die ersten
Zeilen des Drehbuchs. Der Film selbst ist dann sozusagen nichts als die Fortsetzung
des Drehbuchs mit den Mitteln der ins kleinste ausformulierten Bebilderung (und
Vertonung: Popmusikreferenzen von Nico, zweimal, bis Nick Drake etc. pp, spielen
eine große Rolle), keineswegs etwas, das sich eigenständig voranbewegen
könnte, das eine eigene Dynamik hätte.
Abgesehen
von der Implosion in den eigenen Bildern und Verweisen (die durchaus beabsichtigt
ist), zielt "The Royal Tenenbaums" auf zwei weitere Dinge, eines direkt,
das andere indirekt. Was er will, unmittelbar und Bild für Bild, ist Komik.
Um die zu erreichen, scheut er keine Skurrilität, vor allem auch: keine
Denunziation seiner Protagonisten. Was man Todd Szolondz, der in Wahrheit einfach
ein pessimistischer Humanist ist, bei seinem Meisterwerk "Happiness"
immer vorgeworfen hat, gilt stattdessen ohne jede Einschränkung für
Wes Anderson: für einen guten Scherz verkauft er nicht nur seine Großmutter,
sondern gleich die ganze Familie Tenenbaum.
Ob
Chas (Ben Stiller) und seine schreckliche Angst vor einem neuerlichen Unglück
(seine Frau ist bei einem Flugzeugabsturz umgekommen, den er und seine zwei
Söhne überlebt haben), ob Margot (Gwyneth Paltrow) und ihre Dauerdepression,
Royal Tenenbaum (Gene Hackman) und sein Wunsch, seiner Rolle als fürsorgendes
Familienoberhaupt nach zwanzig Jahren Totalausfall doch noch gerecht zu werden.
All das, diese ganze Familie mit ihren Schrullen, ihren Problemen, ihren Talenten
und ihren Versagensängsten, ist nichts (wirklich nichts) als ein Vorwand
für Anderson, sich einen ausgefeilten Jux nach dem anderen zu machen. Alles
schön bunt hier, aber dahinter stecken eine Eiseskälte und eine Selbstgefälligkeit,
die einen richtig wütend machen können.
Andersons
letzter unverschämter Coup ist es, aus diesen Simulationen von richtigen
Menschen, dieser Parade von Pappkameraden, zu guter Letzt auch noch Momente
der Rührung ziehen zu wollen. Gerne würde man sagen: er macht sich
über gewisse Hollywoodkonventionen lustig, das Happy End, auf das er seine
Figuren zusteuert, ist Satire. Das aber ist nicht der Fall. Anderson glaubt
allen Ernstes, den Zuschauern auf einer über die Satire noch einmal hinübersteigenden
Ebene ein Mitgefühl entlocken zu können mit seinem durch und durch
künstlichen Menschenzoo. Das ist der Punkt, an dem "The Royal Tenenbaums"
nicht nur nicht komisch, nicht nur ein Zombie von einem Film ist, sondern auch
noch in maßloser Selbstüberschätzung so richtig verlogen.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
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diesem Film gibt’s im archiv
der filmzentrale mehrere Texte
Die
Royal Tenenbaums
The Royal Tenenbaums
USA
2001
Regie:
Wes Anderson
Mit
Gene Hackman, Anjelica Houston, Gwyneth Paltrow, Ben Stiller
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