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Das
siebente Siegel
Die
Antwort findest du in der Taverne
Durstig
wie ein Kamel in der Wüste: Anmerkungen zu Ingmar Bergmans „Das siebente
Siegel”
Gott
ist tot, Satan ist tot, nur der Tod ist nicht tot, sondern sehr lebendig und
allgegenwärtig in Bergmans „Das siebente Siegel“. Die märchenhafte
Rahmenhandlung spielt in einem merkwürdig verdichteten Mittelalter, das
von Menschen bevölkert wird, die bestimmte Philosophien und Weltanschauungen
repräsentieren – sogar solche, die nur als historischer Vorgriff verstanden
werden können. So finden sich aufklärerische, ja sogar idealistische
Positionen – während im Hintergrund noch Hexenverbrennungen stattfinden.
Der
Ritter Antonius Block ist der tragische Held des Films. Er muss sterben, bekommt
aber vom Tod persönlich Aufschub gewährt – so lange, bis das Schachspiel,
zu dem Antonius den Tod auffordert, entschieden ist. Mit einem Stück aus
dem „Dies Irae“ beginnt der Film, es wird nicht das letzte memento mori sein,
und wir wissen, wie das Spiel ausgeht. Der Ritter von der traurigen Gestalt
Antonius Block nutzt die verbleibende Zeit für den Versuch eines faustischen
Erkenntnisprozesses. Er kommt in ein Dorf, in dem die Pest wütet. Die Epidemie
wird vom religiösen Führer des Dorfes als Strafe Gottes gedeutet.
Eine brutale, traurige und selbstquälerische Prozession beginnt. Der eifernde
Priester hält einen menschenverachtenden Vortrag über die Schlechtigkeit
seiner Gemeinde und identifiziert auch gleich eine junge Frau, die wohl nicht
zufällig wie Jeanne d’Arc aussieht, als Verursacherin des Übels. Sie
sei vom Leibhaftigen besessen und müsse verbrannt werden. Das ist Blocks
Chance. Da ihm schon Gott partout nicht erscheinen will, dann vielleicht sein
Hauptkonkurrent. Wo er den Leibhaftigen finden könne, fragt er die vermeintliche
Hexe auf dem Weg zum Scheiterhaufen. Den würde er doch in ihren Augen sehen,
flüstert sie. Immerhin sei sie ja besessen. Doch Antonius Block sieht nur
die Angst der jungen Frau vor dem qualvollen Tod, sonst nichts. Da ist kein
Satan – aber heißt das nicht, da ist auch kein Gott?
„Der
Tag ist rot, der Fisch ist tot“, rezitiert eine junge Frau ein Gedicht in der
Mitte des Films. Der Tag des jüngsten Gerichts ist gekommen, aber er wurde
von einem Gott angekündigt, der ihn selbst nicht mehr erlebt: Jesus ist
tot und an Wiederauferstehung ist nicht zu denken. Einmal wird die christliche
Dreifaltigkeit gar als ghost story bezeichnet. Tatsächlich erscheint während
des gesamten Films weder Gott, noch sein Gegenspieler. Allein der Tod tritt
regelmäßig auf. Und der ist ahnungslos. Kurz bevor Antonius endgültig
sterben soll, befragt dieser noch einmal den Tod nach seinem Geheimnis, doch
der hat keins: „Ich weiß nichts“, bekommt er als Antwort – und das ist
wahrscheinlich noch nicht mal gelogen. Der Tod ist keine Fabelfigur Bergmans,
er ist die einzige Konstante in seinem Universum, die einzige Gewissheit.
Ansonsten
geht es munter durcheinander, was die mystische Symbolik angeht: Ob nun Marienerscheinungen,
heidnische Kulte, christliche Traditionen – Bergmans Volk scheint an einer „theologisch
sauberen“ Religion nicht interessiert, vielmehr ist es fasziniert vom Mystischen,
vom Übersinnlichen, von Aberglaube und Omen. Aber auch an biblischen Zitaten
herrscht kein Mangel: Nicht nur der Held ist „durstig wie ein Kamel in der Wüste“.
Seinen nutzlosen Wissensdurst möge er doch lieber mit Alkohol stillen:
„Die Antwort findest du in der Taverne.“
Gabriel
F. Yoran
Dieser
Text ist nur erschienen in der filmzentrale
Zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Das
siebente Siegel
DET
SJUNDE INSEGLET
Schweden
- 1956 - 96 min. – schwarzweiß - Literaturverfilmung, Drama - FSK: ab
16; feiertagsfrei - Verleih: Constantin - Erstaufführung: 14.2.1962/12.4.1968
ZDF - Fd-Nummer: 10900 - Produktionsfirma: Svensk Filmindustri
Produktion:
Allan Ekelund
Regie:
Ingmar Bergman
Buch:
Ingmar Bergman
Vorlage:
nach seinem Theaterstück "Trämalning"
Kamera:
Gunnar Fischer
Musik:
Erik Nordgren
Schnitt:
Lennart Wallén
Darsteller:
Gunnar
Björnstrand (Jöns)
Max
von Sydow (Antonius Blok)
Bibi
Andersson (Mia)
Bengt
Ekerot (der Tod)
Nils
Poppe (Jof)
Gunnel
Lindblom (Stumme)
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