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Unheimliche
Begegnung der dritten Art
Fünf Jahre bevor Steven Spielberg
mit "E. T."
einen der wohl beliebtesten Sciencefiction-Filme der Filmgeschichte drehte,
überraschte er mit einem Streifen das Publikum, in dem alles so anders
schien als sonst in diesem Genre. Keine bewaffneten Kämpfe, keine, außer
eingebildete, Gefahren - Friedfertigkeit aller Orten. Doch "Close Encounters
of the Third Kind" ist deswegen noch lange kein Gutmenschen-Film oder langweilig
oder behäbig. Spielberg nutzte den in den 70er Jahren weit verbreiteten
Glauben an UFOs und vor allem seine eigene Faszination für dieses Thema
- geboren in seiner Kindheit, als ihm sein Vater ein vermeintliches UFO zeigte
-, um den Film in dieser Weise zu inszenieren.
Dabei unterscheidet sich die damalige
Kinoversion von einer späteren, in die eine zusätzliche Abschlussszene,
die im Raumschiff der Aliens spielt, und die 1980 in den Kinos gezeigt wurde. Später
entschied sich Spielberg, diese Schlussszene wieder herauszunehmen, um eine
weitere Version mit gegenüber der ersten Kinofassung zusätzlichen
Szenen auf den DVD-Markt zu werfen, die auf der sog. "Collector's Edition"
zu sehen ist. Diese Doppel-DVD enthält auch andere zusätzliche Szenen
und die Schlussszene aus der Kinofassung von 1980 sowie ausführliche Erläuterungen
des Regisseurs und anderer zur Entstehung des Films.
Merkwürdige Dinge geschehen.
In der Wüste Gobi findet man ein Schiff, das vor etlichen Jahren verschwunden
war - von der Besatzung fehlt jede Spur. Auch einige Flugzeuge finden sich wieder,
die sich in einem noch tadellosen Zustand befinden. In Indiana kommt es fast
zu einem Zusammenstoß mit einem unbekannten Flugobjekt. Und ebenfalls
dort sieht der kleine Barry (Cary Guiler), wie sich seine Spielzeuge und andere
Gegenstände im Haus wie von selbst bewegen. Kurze Zeit später ist
Barry verschwunden, nachdem er nach draußen gelaufen und offenbar irgend jemandem
gefolgt war. Seine Mutter Gillian (Melinda Dillon) ist verzweifelt.
Der Techniker Roy Neary (Richard
Dreyfuss) fährt durch eine sternenklare Nacht - und wird plötzlich
durch merkwürdige Erscheinungen am Himmel überrascht. Wie andere Personen
auch, die später den Behörden berichten, sie hätten Raumschiffe
am Sternenhimmel gesehen. Neary kommt nach Hause und eine seiner Gesichtshälften
ist wie von einem Sonnenbrand rot gefärbt.
Die amerikanische Regierung erklärt
der Öffentlichkeit und den Medien, es gebe überhaupt keine handfesten
Hinweise auf UFOs oder Aliens. Doch insgeheim hat sie längst den französischen
Experten Claude Lacombe (von keinem anderen gespielt als dem französischen
Regisseur François Truffaut) beauftragt, den merkwürdigen Ereignissen
nachzugehen. In der Gobi, in Indien und in Indiana suchen Lacombe und eine Reihe
amerikanischer Experten nach den Ursachen für die merkwürdigen Ereignisse.
Dabei sind die meisten längst davon überzeugt, dass die UFOs keine
Einbildung sind.
Genauso wie Neary und Gillian.
Neary scheint sich angesichts der Beobachtung der UFOs zu verändern. Er
macht seine ganze Familie verrückt, schneidet Zeitungen aus mit Berichten
über UFO-Erlebnisse - und hat vor allem immer wieder dasselbe Bild im Kopf
- einen Berg mit flacher Oberfläche - und eine simple Folge von fünf
Tönen, die er gehört hatte. Ebenso ergeht es Gillian, die immer wieder
den merkwürdigen Berg malt.
Als Neary allen möglichen
Abfall, einen Drahtzaun, der Gänse am Weglaufen hindern soll, und Erde
ins Haus wirft, glaubt seine Frau Ronnie (Teri Garr), dass er verrückt
geworden ist und verlässt mit den Kindern das Haus. Aber selbst das kann
Neary nicht daran hindern, aus dem ganzen Müll und der Erde diesem Bild
von dem Berg Gestalt zu verleihen. Und dann steht er da, dieser Berg, in der
Wohnung - und Neary spürt, dass es diesen Berg auch real geben muss.
Wenig später trifft er ein
zweites Mal auf Gillian - und beide beschließen, der Sache auf den Grund
zu gehen. Sie befahren heimlich ein inzwischen von der Regierung und dem Militär
gesperrtes Gebiet, in dem angeblich giftige Gase die Atmosphäre verunreinigt
haben. Doch Neary weiß, dass dies nur ein Vorwand ist, um andere an der
Entdeckung der Wahrheit zu hindern. Auch beider Festnahme und die weiterer Menschen,
die dieselben Bilder im Kopf haben, kann Neary und Gillian nicht davon abhalten,
ihren Gefühlen zu folgen.
Und dann sehen sie den Berg vor
sich, den Devil's Tower in Wyoming. Beide spüren, dass sie nicht nur hinauf
müssen - auch wenn das Militär sie fast um jeden Preis daran hindern
will. Sie ahnen, was sich hinter dem Berg enthüllen wird ...
Sehen - Spüren - Kontaktieren.
Das sind die drei Arten unheimlicher Begegnung, die Spielberg uns förmlich
selbst spüren lässt. Es ist völlig unerheblich, ob der eine von
uns an UFOs glaubt und die andere nicht. Spielberg zieht uns hinein in diese
märchenhaft scheinenden Bilder. Das beginnt schon mit dem sternenklaren,
doch vom Mond erleuchteten Himmel, irgendwo auf einer Landstraße. Schon
bei diesen Bildern spürt man förmlich die Anwesenheit der Außerirdischen
- die man erst ganz zum Schluss sehen wird. Das Auftauchen der UFOs, die scheinbar
verrückt spielenden Gegenstände in Gillians Haus, das Leuchten in
den Augen der Kinder und auch einiger Erwachsener, vor allem aber das Staunen,
dieses unermessliche Staunen darüber, dass man - sprich: die Erdenbewohner
- offenbar nicht die einzigen Lebewesen im All sind, und die prickelnde Erwartung,
mit diesen Aliens Kontakt aufzunehmen - das ist es, was "Unheimliche Begegnung
..." - egal wo wir uns im Film gerade befinden: in Idaho, Wyoming, in der
Wüste Gobi oder in Indien - so faszinierend macht.
Faszination - das ist es auch,
was Neary überkommt und seine Frau so gar nicht versteht, weil die Angst
vor dem Unheimlichen sie zu beherrschen scheint. Die verrückten Dinge,
die er tut, sind alles andere als verrückt. Er sieht ein Ziel, einen Sinn,
der seinem bisherigen Leben abhanden gekommen schien. Und dieses Ziel und dieser
Sinn haben nichts mit Bedrohlichem, mit Gefahr, gar mit Lebensgefahr zu tun
- im Gegenteil. Da taucht etwas auf, etwas Unbekanntes, etwas das lebt, das
neugierig ist und macht, und in dem soviel Unermessliches zu sein scheint, dass
Neary und auch Gillian nicht von ihrem Weg ablassen können. Es scheint
ihre Seele, ihr Herz und ihren Verstand ergriffen zu haben wie nichts anderes
zuvor.
Man könnte auch sagen: das
Märchenhafte dieser Geschichte, in der sich auch Truffaut als Lacombe nur
noch dem Staunen und der Erwartung hingibt, ist die Erwartung von etwas, was
den Sinn des Lebens erst ausmacht: das Leben selbst. Die unheimlichen Begegnungen
sind nämlich nicht geprägt von der Hektik des Alltags, den Zahlen,
der "Faktizität" und der Jagd einer Gesellschaft, die fast nur
noch das kennt, nicht einmal von einer wissenschaftlichen Neugier, die sich
längst darin erschöpft hat, all das zu machen, was machbar ist, um
daraus Profit zu schlagen.
Das, was hier erwartet wird, worüber
man hier staunt, ist die Faszination des Lebens selbst, seiner unterschiedlichen
Formen, Inhalte, seiner Ausprägungen, seiner Überraschungen, seiner
Möglichkeiten. Wenn die Wissenschaftler, Militärs, Gillian und Neary
am Schluss vor dem außerirdischen Raumschiff stehen, dann stehen sie einfach
da und schauen - nichts weiter. Wer wird raus kommen? Die fünf Töne
erklingen, aus dem Raumschiff antwortet man mit immer komplexeren Tonfolgen.
Und dieses "Wir sind nicht allein", so sehr diese Aussage auch auf
"die anderen" deutet, weist doch - vielleicht die wesentliche Aussage
des Films - auf uns selbst zurück.
Das Innehalten, die eingekehrte
Ruhe im Angesicht der unheimlichen Begegnungen, das Staunen und die erwartungsvolle
Haltung führen uns zumindest einen Kino- oder DVD-Abend lang zurück
auf uns selbst. Es reißt uns heraus aus einer selbstentwickelten Hektik
unseres Daseins. Der Kontakt, die unheimliche Begegnung der dritten Art, ist
letztlich der Kontakt mit uns selbst, der dem Kontakt mit dem anderen geschuldet
ist. Und dieser Kontakt ist durch nichts vermittelt, das heißt, nichts
Sachliches außer uns stellt ihn her: WIR stellen ihn her. Vom einen direkt
zum anderen. Die Vermittlung liegt hier lediglich in der Geschichte selbst,
das heißt der "Einführung" der Außerirdischen als
vermittelnde Instanz. Es ist dieses Kontemplative, was fortan in Neary und Gillian
wirkt.
Kontemplation als religiöser
Schritt - Reinigung, Erleuchtung, Seeleneinheit mit Gott - ist hier nicht einmal
vonnöten, aber doch in einer nicht-religiösen Bedeutung präsent.
Indem die hier gezeigten Menschen in einer nicht nur friedvollen, sondern eben
erwartenden und staunenden Art und Weise dem Leben gegenübertreten in Gestalt
der Aliens, werden sie eins mit sich selbst. Es ist diese Art Rückbesinnung
und Rückbeziehung - ob man sie nun religiös fassen will oder nicht
-, die den Film und seine Geschichte prägt und ihn auch heute noch so sehenswert
und faszinierend macht. Es ist diese Art Staunen, die dem kindlichen, unverbildeten
Staunen entspricht, oder auch der Kontemplation in der Kunst, die zudem direkt
zu Spielbergs "E.T." führen wird.
DVD
Format: Collector's Edition, Dolby, DTS, PAL, Surround Sound
Sprache:
Deutsch, Englisch
Untertitel:
Englisch, Deutsch, Türkisch
Region:
Region 2
Bildseitenformat:
16:9
Anzahl
Disks: 2
FSK:
Freigegeben ab 12 Jahren
Studio:
Columbia Tristar Home Entertainment
DVD-Erscheinungstermin:
1. Juni 2001
Die
Doppel-DVD präsentiert den Film ins ausgezeichneter Bild- und Tonqualität
und enthält folgendes
Specials:
Trailer
Making Of von 1977 (5 min 49 sek)
Dokumentation
(1 h 41 min)
Filmografien,
Entfallende Szenen
Das
Exzellente an dieser DVD-Edition ist neben dem Film die eine Stunde und 41 Minuten
dauernde, François Truffaut gewidmete, Dokumentation über den Film,
die 20 Jahre später (1997) gedreht wurde - ein zusätzlicher, man könnte
sagen: spannender Spielfilm über die Entstehung des Films. Zu Wort kommen
hier neben Spielberg und Dreyfuss einige andere Schauspieler und natürlich
diejenigen, die hinter der Kamera gewirkt hatten, sowie einige Filmkritiker.
Man erfährt viel über die Besetzung, die Probleme bei den Special
Effects (an computeranimierte Szenen war damals ja noch nicht zu denken), die
Herstellung von Räumen (u.a. ein Hangar), in denen z.B. die Schlussszene
hinter dem Berg gedreht wurde, und last but not least über die Umstände,
die zur Special Edition des Films geführt hatten. Spielberg selbst sagt
am Schluss der Dokumentation, dies sei wohl sein einziger Film, der inzwischen
veraltet sei - weil der Film von jugendlichem Idealismus getragen sei. Wie er
heute - nochmals zehn Jahre später darüber denkt, weiß ich nicht.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen in: follow me now
Unheimliche
Begegnung der dritten Art
(Close Encounters
of the Third Kind)
USA
1977, 137 Minuten (Collector's Edition)
Regie:
Steven Spielberg
Drehbuch:
Steven Spielberg
Musik: John
Williams
Kamera:
Vilmos Zsigmond
Schnitt:
Michael Kahn
Ausstattung:
Joe Alves
Darsteller:
Richard Dreyfuss (Roy Neary), François Truffaut (Claude Lacombe), Teri
Garr (Ronnie Neary), Melinda Dillon (Gillian Guiler), Bob Balaban (David Laughlin),
J. Patrick McNamara (Projektleiter), Cary Guffey (Barry Guiler)
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