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Vanilla Sky
Das
Privatleben von Tom Cruise erweist sich für die Promotion seiner Filme
als regelrechte Fundgrube. War er bereits zu Zeiten von Stanley Kubricks letztem,
großen Werk Eyes
wide Shut
mit seiner Film-Frau Nicole Kidman auch im wirklichen Leben verheiratet, so
hat er diese Beziehung mittlerweile zu Gunsten von Penelope Cruz aufgegeben,
seiner Partnerin in Cameron Crowes neuem Film Vanilla
Sky.
Hier scheint eine faszinierende Art von Allround-Marketing am Werk zu sein,
die den Star als Persönlichkeit auf der Leinwand so sehr in seiner Rolle
aufgehen läßt, daß es zu einer scheinbaren Grenzverschwimmung
kommt zwischen Realität und Fiktion. So betrachtet ist Vanilla
Sky
möglicherweise sogar ein selbstreflexiver Film, denn auch er hat sich zum
Thema das Verschwimmen von Grenzen, von Identitäten gemacht.
Es
ist interessant, wie sehr Hollywood beginnt, im aktuellen Film auf Strömungen
des Independent-Kinos zurückzugreifen. Filme, in denen Realitäten
traumartig verschwimmen, Personen wie in Freudscher Traumverschiebung plötzlich
die Rollen tauschen, finden einen Urvater wohl in Ingmar Bergmanns Meisterwerk
Persona.
David Lynch greift diese Art und Weise der Verschiebung von Signifikanten auf,
in Filmen wie Lost
Highway
oder jüngst Mulholland
Drive
treibt auch er ein Verwirrspiel mit traditionellen Auffassungen von theatralischer
Rollendarstellung und Identitätstheorien. Wenn nun ein durch Filme wie
Jerry
Maguire
oder Almost
Famous
erfahrener Regisseur des Hollywoodkinos sich ebendieser Thematiken annimmt,
noch dazu in einem Remake eines spanischen Filmes (Abre los ojos ist das
Vorbild für Vanilla Sky), könnte der Kinogänger mit einem aufregenden
Experiment rechnen, in dessen Verlauf sich nicht nur innerdiegetisch Grenzen
öffnen, sondern auch filmisch neue Wege erschließen.
Leider
gelingt dieses Experiment ganz und gar nicht. Vanilla
Sky
erfüllt kaum eine der hoch gesteckten Erwartungen. Viel mehr wirkt der
Film wie ein uninspirierter Eklektizismus, der Versatzstücke aus unzähligen
anderen Filmen weniger zitiert, als vielmehr unhinterfragt übernimmt. Wer
aus dem Kino kommt fühlt sich, als habe er gerade Ideen aus Total
Recall,
The
6th Sense,
Persona
und Lost
Highway
verquirlt gesehen, ohne daß dabei eine eigenständige Aussage entstand.
Nun kann das Zitat im Kino und in der Kunst zwar durchaus gerade die Intention
haben, seinen Gegenstand von Bedeutung zu entleeren; man denke nur an die Ready
Mades
bei Duchamp oder Campbells Suppendose bei Warhol, dennoch scheint in einem eindeutig
auf die Kinokasse schielenden Film diese Herangehensweise fehl am Platze, insbesondere
wenn sie so wenig originell umgesetzt ist wie hier. Die "hollywoodisierung"
des Stoffes findet in Vanilla
Sky
hauptsächlich dadurch statt, daß nicht wie in den genannten Inspirationsquellen
offene Texte und Inhalte verrätselt oder verschleiert werden, sondern jedes
aufgebrachte Rätsel auch bis ins letzte Detail dem Zuschauer am Ende des
Filmes erklärt wird, und sei diese Erklärung auch noch so absurd.
Kein Interpretationsspielraum verbleibt mehr in Vanilla
Sky,
kein postmoderner offener Text liegt vor. Vanilla
Sky ist ein Text und will zugleich seine eigene Interpretation anbieten,
wodurch er allerdings dem Zuschauer eigenständige Gedankenwege verschließt.
Zum
Inhalt des Filmes: Erzählt wird vom erbreichen Yuppie David Aames (Cruise),
der im Gefängnis einem Psychiater erzählt, inwiefern er Schuld trägt
- oder eben nicht - am Tod seiner Geliebten Sofia Serrano (Cruz). Nachdem er
seine Geliebte Julie Gianni (Cameron Diaz) mit seiner scheinbar wahren Liebe
sitzen läßt, rächt sich die verflossene an ihm, indem sie ihn
zu einer Autofahrt überredet und diese mit suizidaler Absicht an einer
Betonwand beendet. Aames überlebt mit entstelltem Gesicht, und ab hier
werden langsam die bereits erwähnten Verschiebungen spürbar. Die Realität
wird in Frage gestellt, Personen verschieben sich in andere Körper oder
verdoppeln sich. Die vom Gefängnis aus retrospektiv erzählte Geschichte
bekommt ein Ende verpaßt, das zwar sämtliche Verdopplungen erklärt,
den Zuschauer aber dennoch oder wohl eben gerade deshalb mit großer Unzufriedenheit
aus dem Kino entläßt.
Benjamin
Happel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
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diesem Film gibt’s im archiv
der filmzentrale mehrere Kritiken
Vanilla
Sky
USA
2001 - Regie: Cameron Crowe - Darsteller: Tom Cruise, Penélope Cruz,
Cameron Diaz, Kurt Russell, Jason Lee, Noah Taylor, Timothy Spall, Tilda Swinton,
Michael Shannon, Delaina Mitchell, Shalom Harlow, Oona Hart - FSK: ab 16 - Länge:
130 min. - Start: 24.1.2002
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