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Traffic
– Macht des Kartells
Zum Schluß dachte ich: Owei, geht’s
jetzt doch um die Restaurierung der family
values? Michael Douglas,
bis dahin oberster Drogenbekämpfer und best
man des US-Präsidenten,
steigt aus und sitzt mit Frau und Tochter in der Drogengruppentherapie; die
Eltern hören sich eine lecture ihrer Caroline an, wie sie ihrerseits
ausgestiegen ist, und zwar aus der Schüler-Crack-Szene.
Die Familie ist wieder intakt. Das ist
sicherlich erfreulich, jedoch nur ein Nebenergebnis der zweieinhalb Stunden
Film, die im übrigen nur so vorbeirauschen.
Zentral in der finalen Sequenz ist vielmehr die Einsicht des väterlichen
Amtsinhabers: Ich bin hier, um zuzuhören. Der Held des amerikanischen Mainstreamfilms
ist der, der kein Held sein will. Halten wir das einmal fest; das klingt eher
europäisch. Bloß, daß hier ein solcher Film nicht gedreht wurde.
Michael Douglas also nimmt zum Schluß
verbal die Position ein, die Regisseur Soderbergh den ganzen Film hindurch praktiziert
hat: zuzuhören. Du bist nicht allein. Die Art und Weise wie Soderbergh
an die Menschen rangeht, die mit Drogen zu tun haben (mehr oder minder alle,
eben): Ich behaupte hiermit, daß wir alle auf einen Film wie »Traffic«
gewartet haben. Zunächst mal ist der Instanzenweg nicht eingehalten, zum
Beispiel der gewerkschaftliche. Soderbergh hätte einen Kameramann engagieren
müssen; er benutzte statt dessen ein
Pseudonym. Denn das eben war sein Zugang zu den vielen Orten, Szenen, Leuten:
die Handkamera selbst zu halten, mit Tageslicht zu arbeiten, dokumentarisch
zu drehen (die Grenzkontrolle an der mexikanischen Grenze), mit seinen Darstellern
zu improvisieren und ihnen ihre Sprache zu lassen. Die Rollen sind überwiegend
an Lateinamerikaner vergeben; es wird spanisch gesprochen oder englisch mit
Akzent. Da gibt sich einer Mühe, für sich und seine Kamera etwas herauszufinden
– egal, was offizielle Lesart ist. Und es kippt im Film. Die Mexikaner sind
nicht unbedingt die Schurken. Die White-collar-Society in Südkalifornien
macht bessere Geschäfte als das Klischeedrogenkartell jenseits der Grenze.
Soderberghs Recherchenfokus geht vom angeblichen
Schurkennachbarn auf die Konsumschurken im eigenen Land. Der Schüler-Dealer
im Kinderzimmer! – Nichts wird behauptet, alles entsteht vor unseren Augen,
durchaus auch verwackelt, aufgelöst, gar unscharf – glaubhaft.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Traffic
- Macht des Kartells
USA 2000 - Regie: Steven Soderbergh - Darsteller: Michael Douglas, Don Cheadle, Benicio del Toro, Luis Guzman, Dennis Quaid, Catherine Zeta-Jones, Steven Bauer, Erika Christensen, Jacob Vargas, Clifton Collins Jr., Salma Hayek - Länge: 147 min. - Start: 5.4.2001
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