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Triumph
des Willens
Kommt ein Führer
geflogen
1934. Nürrrnberrrg. NSDAP-Rrrrreichsparrrteitag:
Texteinblendung: „Hergestellt im Auftrage des Führers.“ „16 Jahre nach
dem Anfang deutschen Leidens…“ Kurz ins Gedächtnis rufen: 1934 minus 16.
Ah ja, Krieg verloren und, schlimmer noch, Versailler Vertrag, die deutsche
Schmach. „…19 Monate nach dem Beginn der deutschen Wiedergeburt.“ Schlussfolgerung:
Der deutsche Korpus vor der Machtergreifung war kein lebendiger. Der erste deutsche
demokratische Gehversuch war der Gang eines Krüppels. Demokratie ist Entartung.
Demokratie ist Tod.
Der Film beginnt mit Luftaufnahmen, wobei nicht ganz klar wird, was majestätischer
sein will: die Wolken oder die, die sie überfliegen? Wäre es nicht
taghell, es könnte eine Götzendämmerung sein. Nürnberg hat
schon was aus luftiger Höhe. Aber irgendetwas fehlt hier. Das ist mir noch
nicht nationalsozialistisch genug. Man glaubt beim Anblick dieses Stadtbildes
kaum, dass man es in nur elf Jahren so verschönern konnte. Wie ein Reichsadler
thront das Bild über den Dingen. Und über den Wolken schwebt ein Scheitel.
Juchhe, kommt ein Führer geflogen. Setzt sich nieder auf ein Reich. Wird
tosend empfangen. Eigentlich sieht man diese frenetischen Menschen die ganze
Zeit über, wenn der Scheitel in der Nähe weilt. Noch einen Schnauzer
dazu und da ist Adolf Superstar. Haare machen Leute. „Heil! Heil! Heil! Heil!“
Bereits der Flugplatz ist Altar.
Wie viel alleine Ikonisierung schon bewegen kann. Es braucht kein Wort des Führers,
um das Volksfest zu beleben. Ein Spalier aus Enthusiasmus und Heiterkeit. Nichtjubelnde
gibt es bei Leni Riefenstahl keine, lediglich die Groupies und die Groupies
sind das Volk. Und das Volk ist völkisch. Und völkisch sind die Jubelnden.
Doch kein Vergleich mit der Frohlockung, die in den Mikrofonen widerhallt, wenn
der Führer erstmal spricht! Was da los ist! „Auf geht’s, Deutschland schießt
ein Tor, schießt ein Tor, schießt ein To-o-or…“ Hoppla, falsche
Sportart. Obwohl die da ja auch oft und ganz völkisch „Deutschland!“ brüllen.
Dieser Sport hier jedoch nennt sich Propaganda. Der Begriff klingt freilich
stahlhart und hässlich, steht aber für etwas Erbauliches, denn der
„Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda ist zuständig
für alle Aufgaben der […] Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft,
der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über
sie“ - Verordnung des Führers vom 30. Juni 1933. (Anmerkung für das
Geheimarchiv: Aus Propagandazwecken musste soeben „Aufgaben der geistigen Einwirkung
auf die Nation“ ausgeklammert werden, klingt zu sehr nach Manipulation.)
Über das Wesen der Propaganda schrieb Adolf Hitler in seinem Manifest ferner:
„Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen
nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die
sie sich zu richten gedenkt.“ Auf Deutsch: Egal wie dumm du bist, du kannst
nicht dumm genug sein. Die freudigen Botschaften der Propaganda verpasst du
nicht.
Weiterhin in „Mein Kampf“: „Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, dass
sie, die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse
begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und weiter
zum Herzen der breiten Masse findet.“ Ja, Propaganda ist eine Kunstform! Achtet
in „Triumph des Willens“ auf die feenhafte Montage. Und: „den Weg zu unseren
Herzen finden“ - auch eine schöne Sache.
Außerdem: „Propaganda ist jedoch nicht dazu da, blasierten Herrchen laufend
interessante Abwechslung zu verschaffen, sondern zu überzeugen, und zwar
die Masse zu überzeugen. Diese aber braucht in ihrer Schwerfälligkeit
immer eine bestimmte Zeit, ehe sie auch nur von einer Sache Kenntnis zu nehmen
bereit ist, und nur einer tausendfachen Wiederholung einfachster Begriffe wird
sie endlich ihr Gedächtnis schenken“. Ja mei, blök blök, „Triumph
des Willens“ ist der Triumph der Propaganda, denn „Triumph des Willens“ ist
derart unabwechslungsreich, unleichtfüßig und nicht kurzweilig, dass
wir uns, um zu folgen und zu triumphieren, Streichhölzer zwischen die Augenhöhlenhautlappen
stecken müssen. „Triumph des Willens“ ist auch unsere Prüfung, unser
Kampf gegen den Staub des Sandmännchens. Kämpft und triumphiert! Triumph
und Kampf. Kampf, Sieg Heil, Triumph, Kampf.
Herrlich einförmig stapft und stampft der Film entlang. Zwei unvergängliche
Stunden Deutschseins mit Märschen, Reden, Fackelzug, Reichsadlern, Hakenkreuzen,
Plaketten, Emblemen, Aufzügen, Paraden, Reden, Fahnen und Standarten, tausendfache
Wiederholung, phantastisch; der Mensch dabei stets der gleichförmigen Choreographie
anheim gefallen. Wer möchte schon ein Individuum sein, wenn er als Ameise
an einem stromlinienförmigen Formationsgefüge teilhaben kann! Kreuz
rein, Brust raus. Und ab im Gleichschritt. Triumph einer Selbstinszenierung.
Die Kamera braucht gar nicht viel zu tun, der Parteichoreograph ist das Genie.
Totaler Triumph eines Filmes, der sich selbst in Auftrag gegeben hat. Sieg Heil!
Was kann es Schöneres geben, als hier dem Führer einige Blut-und-Boden-Verse
vorzutragen, vorzubrüllen? „Heil Arbeitsmänner!“ Deren Einheit im
Chor: „Heil mein Führer!“ Woher sie kommen, verraten sie uns. Überall
aus Deutschland. Denn sie sind Deutschland, wie auch du Deutschland bist. “Ein
Volk, ein Führer, ein Reich, Deutschland!“ dröhnt es aus der 52 000
Mann starken Kehle. Ein Stimmband: „Wir pflanzen Bäumeee“. Kollektiv: „Rauschende
Wälder“. Geistiges Niveau nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten.
„Siech - Heil! Siech - Heil! Siech - Heil!“
Die Reden beschwören und schwören ein. Rudolf Heß zunächst
eröffnet den sechsten Parteitag mit einem Stock im Arsch: „Wenn Sie richten,
richtet das Volk.“, dies an den Führer gerichtet und sein Prinzip. Applaus,
wir entmündigen uns. „Sie waren uns der Garant des Sieges, sie sind uns
der Garant des Friedens!“ Ein Augenblick derart bewegend, um in orgiastischer
Tollwut den Führer zu preisen. „Adolf Hitler!!!!!! Sieg! - Heil! Sieg!
- Heil! Sieg - Heil!“ Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch…
Andere hohe Gefolgsmänner kommen auszugsweise zu Wort. Julius Streicher
lässt Riefenstahl dieses sagen: „Ein Volk, das nichts auf die Reinheit
seiner Rasse hält, geht zugrunde“. Der große Redner Goebbels rührend:
„Es mag gut sein, Macht zu besitzen, die auf Gewehren ruht, besser aber und
beglückender ist es, das Herz eines Volkes zu gewinnen und es auch zu behalten.“
Den Weg zu unseren Herzen finden.
Auch in den Kunden des Führers höchstpersönlich finden sich die
Bekennungen zu einem friedliebenden Volk, einer friedfertigen Jugend. Neuerdings
trägt man Uniform, wenn man von Frieden redet. Die anderweitigen tomanischen
Botschaften in verkürzter Wiedergabe: „Gehorsam…Führer… Gefüge
(Beifall)… durch nichts zerbrochen… Kameraden (Applaus)… für unser Deutschland!
(Heil!)… eure Treue (Heil!)… Kampfgenossen… die Partei wollte kompromisslos
die einzige und alleinige Macht in Deutschland…“ Im Geiste hört man einen
Rebellen den Churchill zitieren. „Das ist der größte Vorwurf an die
Deutschen: Dass sie trotz ihrer Intelligenz und trotz ihres Mutes immer die
Macht anhimmeln.“ Pssst, schweig er, die uniformierte Friedenstaube spricht,
in ihren Augen blitzt es so schön: „…verweichlicht… stählen… ich kämpfe…
Führungsauslese… stahlhart…alle anständigen Deutschen (Beifall)… abstoßen,
was sich als schlecht erwiesen hat… den deutschen Menschen erziehen (Applaus)…
es lebe Deutschland! (Beifall, Applaus, Heil Hitler)“
Der Führer befiehlt, wir werden ihm folgen. Aber jetzt will dieser Vogel,
der sich auf dem Fuß des Reiches niedergesetzt hat, weiter fliegen. Wie
sollen wir Flügellosen da folgen? „Triumph des Willens“ schauen! Einmal,
zweimal, dreimal, so oft, bis wir kotzen. Das befreit von der Flugsehnsucht,
lässt sie verkümmern. Denn sieh' dort! Der Hochmut hat den Ikarus
ins Meer stürzen lassen!
Daniel Szczotkowski
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Triumph des Willens
Deutschland - 1935 - 114 min. – schwarzweiß – Dokumentarfilm
- Verleih: offen - Erstaufführung: 1935 Kino/29.9.1974 NDR
Produktionsfirma: Leni Riefenstahl
Regie: Leni Riefenstahl
Buch: Leni Riefenstahl
Kamera: Sepp Allgeier (fotografische Leitung)
Musik: Herbert Windt
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